Der werfe den ersten Stein
Er weist immer noch Mehmedović die Schuld zu, um sich vor Kritik zu schützen.
Sie faltete die Zeitung zusammen und warf sie gegen die Wand.
Versprich eins, Elina, dachte sie. Verhalte dich nie wie Jönsson. Niemals. Steh gerade für deine Fehlleistungen.
Sie lehnte sich auf dem Küchenstuhl zurück.
Es ist Zeit, an deine eigene Ermittlung zu denken. Die auch in Gefahr ist, ein Fiasko zu werden, dachte sie.
Sie ging ins Schlafzimmer und zog sich an. Es war noch früh, halb sieben. Sie beschloss, einen langen Spaziergang zu machen, mindestens eine Stunde, bevor sie anfing zu arbeiten.
Nach dem Gespräch mit Inez Wigren hatte Elina den Rest des Tages an einem Computerkurs teilnehmen müssen. Das E-Mail-System sollte auf den neuesten Stand gebracht werden. Am Abend hatte sie versucht, in ihrem Kopf aufzuräumen. Aber die Gedanken drehten sich weiter um die Mordermittlung. Sie hatte schlecht geschlafen. Vielleicht würde die frische Morgenluft ihrem Kopf gut tun.
Sie ging zum Mälaren hinunter, durch die Villenstraßen von Stallhagen. In ihren Augen war es das schönste Wohngebiet von Västerås. Die alten Villen vermittelten ihr ein Gefühl von Familienidylle. Und Wehmut, weil sie keine eigene Familie hatte. Aber an diesem Morgen war es ihr Gehirn und nicht das Herz, das ihre mentale Gegenwart erforderte.
Jetzt hast du deine Chance, Elina, dachte sie. Tu das, was du immer als Polizistin tun wolltest. Analysiere. Denk nach. Was bedeutet das, was du gestern erfahren hast? Formuliere die wirren Träume der Nacht über den Mord in wachen, klaren Gedanken.
Bertil Adolfsson hat nicht nur seine Frau und Mikael misshandelt, sondern auch Peter. Aber das hast du ja vorher schon vermutet. Das ist keine neue Information, nur eine Bestätigung. Dass er sich an der Tochter vergriffen hat, wusstest du nicht. Ändert das etwas? Eigentlich ist es nur ein weiteres Anzeichen für den totalen Zusammenbruch der Familie. Bertil Adolfsson lenkte sein Haus mit Gewalt. Mit mehr Gewalt, als du gedacht hast.
Ein Familienmitglied hat schließlich zurückgeschlagen. Vielleicht mit der Hilfe eines anderen. Hat Stina geholfen, ihren Vater hinaus in den Tod zu locken? Peter? Ihm kann ich durch Verhöre nicht beikommen. Mikael? Vielleicht bringe ich ihn dazu, sich zu öffnen. Aber wie?
Und was hat es zu bedeuten, dass Simon Benjaminsson viel mehr wusste? Könnte er am Mord beteiligt gewesen sein? Und wenn es so ist, warum?
Elina kam an einem Tennisplatz vorbei, der direkt am Wasser lag. Zwei braun gebrannte Männer um die fünfzig waren in ein intensives Match vertieft. Sie schaute ihnen eine Weile zu, um zu sehen, wer den Satz gewann.
Warum hat Benjaminsson Angst vor Mikael gehabt?, dachte sie, ehe der letzte Ball entschieden war. Denn er ist doch wohl vor Mikael geflohen, nachdem der Junge ihn in seiner Wohnung besucht hatte.
Frustriert betrat sie eine halbe Stunde später ihr Dienstzimmer. Sie hatte sich immer noch nicht entschieden, wen sie als Erstes mit ihren neuen Informationen konfrontieren sollte. Oder wie das geschehen sollte. Jedes Mal wenn sie jemanden verhört hatte, der etwas Wichtiges verbarg, hatte sich die Person in ihren Panzer zurückgezogen.
Ich muss eine bessere Verhörtechnik lernen, dachte sie. Etwas mache ich falsch, aber ich weiß nicht, was. Ich werde mit diesem Fall ein Fiasko erleben. Ich werde nie eine Mordermittlerin.
Um sich abzulenken, öffnete sie ihre E-Mail. Martin war auf der Liste. Sie ging direkt in seine Nachricht hinein.
Erzähl mir von deinen Gedanken an diesem Morgen.
Sie lächelte und schrieb eine lange Antwort. Ehe sie zum Schluss kam, saß sie still da. Sie griff mit einer Hand in die Luft, als wollte sie einen Gedanken einfangen. Eine Idee, die vorbeihuschte.
Plötzlich stand sie auf. Sie ging zwei rasche Runden durch das kleine Zimmer, murmelte vor sich hin. Dann setzte sie sich wieder und zwang sich, die E-Mail an Martin schnell zu beenden. Sie öffnete Netscape und schrieb das Suchwort »Hotmail« hin. Ein weiterer Mausklick, und eine Homepage baute sich auf ihrem Bildschirm auf. Jemand bot an, jedermann eine private E-Mail-Adresse zu beschaffen. Sie brauchte nur ihre persönlichen Daten einzugeben.
Sie wählte eine Adresse, die anonym klang. Danach loggte sie sich in Telias E-Mail-Adressen ein und suchte nach dem Namen Mikael Adolfsson. Es war nur eine Vermutung; weder wusste sie, ob Mikael eine E-Mail-Adresse oder eine Telia-Adresse hatte, noch, ob sie im Verzeichnis
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