Der werfe den ersten Stein
uniformierter Polizist. Er grüßte rasch, als er Kärnlund sah, angeführt vom Arzt und mit zwei Beamten in Zivil im Schlepptau. Der Polizist hielt allen die Tür auf. Mikael lag allein im Zimmer. Er hing am Tropf, Gesicht und Hals waren verfärbt.
Kärnlund wandte sich an Elina.
»Was hast du eigentlich mit ihm gemacht?«, fragte er.
»Ich hab seinen Arm mit einem shuteuke blockiert, hab ihn dann mit einem jodan yakzuki geschlagen und einen kingeri folgen lassen. Vorsichtshalber zum Schluss noch ein zuki von oben.«
Svalberg starrte sie an.
»Als er mich mit dem Schraubenzieher angriff, hab ich ihn mit dem linken Arm abgewehrt. Dann hab ich ihm mit der rechten Faust ins Gesicht geschlagen und in den Schritt getreten. Aber wirklich nicht sehr hart. Man scheut sich, einem Jungen zwischen die Beine zu treten. Als er schon zu Boden ging, hab ich ihm noch mit der Faust in den Nacken geschlagen. Damit er nicht wieder auf die Beine kommt. Aber ich glaube, er ist jetzt wieder ziemlich okay. Glaub ich. Hoffe ich.«
Elina schüttelte den Kopf.
»Ich hätte mir denken sollen, dass er da ist. Das war mein Fehler. Ich hab nämlich seinen Geruch erkannt, als ich ins Haus kam. Dieser ungelüftete, muffige Geruch. Der muss in seinen Klamotten hängen. Ich konnte ihn in dem Augenblick nur nicht zuordnen.«
Sie ging zu Mikaels Bett und zog einen Stuhl heran, der an der Wand stand.
»Wie geht es dir, Mikael?«
Er sah sie an, ohne zu antworten.
»Gut, dass du es mir per E-Mail erzählt hast«, sagte sie. »Wenn du wieder gesund bist, musst du alles erzählen. Die ganze Geschichte. Von Anfang an bis zum Ende. Machen wir das so?«
Mikael lag still im Bett. Dann nickte er einmal. Elina legte eine Hand auf seine Schulter und stand auf.
»Wir gehen«, sagte sie zu Kärnlund und Svalberg.
»Jetzt ist es vorbei.«
EPILOG
25. SEPTEMBER
45
Die ersten Birkenblätter wurden gelb. Elina trug ein neues Kostüm in gedämpften Herbstfarben. Draußen war es ziemlich stürmisch. Vor ihrem Fenster heulte es. Es war noch früh am Morgen und sie saß in ihrem Dienstzimmer im ersten Stock des Polizeipräsidiums.
Gestern war Mikael für den Mord an seinem Vater zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Verteidigung hatte seine Jugend und die schwierigen Verhältnisse angeführt, unter denen er gelebt hatte. Der Angriff auf Simon Benjaminsson war in einer Psychose erfolgt, das stellte die Rechtspsychologie und dann das Amtsgericht fest. Aber jetzt und zum Zeitpunkt des Mordes hielt man Mikael für nicht so psychisch krank, um ihn in psychiatrische Sicherheitsverwahrung zu nehmen.
Vor sich hatte Elina die Abschrift des Verhörs von Mikael. Dabei waren alle Fragen, die sie sich während der Mordermittlungen gestellt hatte, beantwortet worden.
Frage: Wann hast du das erste Mal daran gedacht, deinen Vater zu töten?
Antwort: Ich glaube, das war, als er Mutter das erste Mal geschlagen hat.
F: Ist der Gedanke im Lauf der Jahre stärker geworden?
A: Ich weiß nicht. Aber er hat mich viele Male geschlagen. Einmal hat er mich in den Rücken getreten, weil ich die Schule geschwänzt hatte. Im ersten Jahr in Surahammar haben sie mein Fahrrad kaputtgemacht, deswegen wollte ich nicht mehr hingehen. Als Vater das vom Lehrer erfuhr, sagte er, ich blamiere ihn, und dann hat er mich auf dem Hof hingeworfen und mich getreten. Ich hab die gehasst, die mein Fahrrad kaputtgemacht haben, und ich hab Vater gehasst. Als ich mit dem Training anfing, hat er mich geschlagen, weil ich dorthin ging. Er kam in mein Zimmer und riss an meiner Trainingstasche. Als ich ihn bat, das zu lassen, hat er mir ins Gesicht geschlagen und ist wieder rausgegangen. Da hab ich beschlossen, stark zu werden. Ich wollte zurückschlagen. Der sollte staunen. Jeden Tag hab ich davon geträumt.
F: Wann hast du den Mord zum ersten Mal geplant?
A: In diesem Frühling. Er hat Mutter geschlagen, weil das Essen nicht warm war. Da bin ich in den Eisenwarenladen gegangen und hab einen Kuhfuß gekauft. Den hab ich auf der Hutablage versteckt.
F: Was ist dann passiert?
A: Ich traute mich erst mal nicht. Das war seltsam. Aber Anfang des Sommers ist was mit meiner kleinen Schwester passiert. Sie ist von zu Hause weggelaufen und ich bin ihr gefolgt. Sie durfte sich in meinem Zimmer aufhalten. Aber als ich weggehen wollte, sagte Vater, ich soll Holz reinholen. Da ist er hinter mir hergekommen in den Holzschuppen und hat gesagt, ich sollte den Mund halten und niemandem etwas erzählen.
Weitere Kostenlose Bücher