Der werfe den ersten Stein
jedoch noch einmal um.
»Was ist mit dem Deckel von der Holzkiste passiert?«, fragte sie. »Im Schuppen?«
Er schaute zu Boden.
»Ich weiß nicht.«
Margareta Adolfsson saß immer noch auf ihrem Stuhl in der Küche.
»Ich geh jetzt«, sagte Elina. »Mit Peter kann ich mich ein andermal unterhalten.«
Sie setzte sich ins Auto und fuhr los, aber nicht zurück in den Ort, sondern weiter auf der 252 in Richtung Süden. Nach wenigen hundert Metern hielt sie an einer Abzweigung, stieg aus und kehrte zu Fuß zurück zum Haus, immer darauf bedacht, dass niemand von dort sie sehen konnte. Von einem Wäldchen aus hatte sie den ganzen Schotterplatz im Blickfeld. Hier stellte sie sich hin und wartete.
Eine Stunde, dachte sie und sah auf die Uhr. Zwanzig vor elf.
Niemand verließ das Haus. Das Einzige, was passierte, war, dass sie Hunger bekam. Sie steckte die Hand in die Tasche und holte eine Tüte mit sauren Bonbons heraus, die sie in der letzten Nacht gekauft hatte. Es waren nur noch zwei übrig, sie steckte beide in den Mund.
Zwanzig vor zwölf begann sie das Wäldchen zu durchstreifen, die einzige Stelle in der Nähe des Hauses, wo ein liegendes Fahrrad oder ein Körper nicht sofort entdeckt werden konnten. Das Wäldchen erstreckte sich bis zu dem See hinunter, in den der Kanal mündete.
Nach einer weiteren Stunde gab sie auf und kehrte zum Auto zurück. Sie nahm den Notizblock hervor und schrieb aus dem Gedächtnis ein Gesprächsprotokoll. Dann rief sie die Fabrik von Surahammar an und verlangte Simon Benjaminsson.
»Ich hab nichts mehr zu sagen«, sagte er, als er den Hörer abhob.
»Woher wissen Sie, was ich fragen will?«
Als Elina Benjaminssons Zimmer betrat, saß er hinter seinem Schreibtisch und blätterte in Papieren.
Er versucht, beschäftigt auszusehen, dachte sie und ließ sich unaufgefordert auf dem Besucherstuhl nieder.
Simon Benjaminsson trug eine Brille mit dicken Gläsern unter seiner Haartolle. Sein Schlips war nachlässig über einem weißen Hemd geknotet. Der Anzug war dunkelblau und auf den Schultern lagen Schuppen.
Dich krieg ich schon, dachte Elina. Sie saß still, während er seine Papiere weiter ordnete.
»Wie ich schon erklärt habe, ich habe nichts hinzuzufügen«, sagte Benjaminsson ohne aufzuschauen.
»Wie lautet das achte Gebot, Herr Benjaminsson?«
»Wie bitte?«
»Sie haben gehört, was ich gefragt habe. Wie lautet das achte Gebot?«
»Was soll das denn?«
»Das ist ein Polizeiverhör. Dabei soll man das achte Gebot befolgen. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Lüge nicht, einfacher ausgedrückt. Sie sollen nicht lügen, Benjaminsson.«
Er starrte sie mit offenem Mund an.
»Jetzt möchte ich zur Abwechslung mal Wahrheiten hören. Oder wollen Sie, dass wir es formell im Polizeirevier erledigen?«
Sie sah, dass seine Hände zitterten.
»Das also nicht. Wissen Sie etwas, was ein Licht auf Bertil Adolfssons Verschwinden werfen könnte?«
»Nichts, nichts. Was sollte ich wissen, was?«
Seine Stimme war schrill. Er hatte weißen Speichel in den Mundwinkeln.
»Denken Sie nach, Herr Benjaminsson. Und denken Sie an das achte Gebot.«
Er sank in sich zusammen.
»Bertil hat Margareta geschlagen. Ich hab es gewusst, aber ich habe nichts dagegen unternommen.«
Elina spürte, wie eine Welle der Enttäuschung durch ihren Körper ging. War das alles? Hast du nicht mehr zu verbergen?, dachte sie.
»Und weiter?«, fragte sie.
Er saß still, fast wie gelähmt.
»Ich weiß nichts mehr. Jetzt müssen Sie gehen.«
Elina machte keine Anstalten, sich zu erheben.
»Warum glauben Sie, dass es etwas mit Bertil Adolfssons Verschwinden zu tun hat?«
»Das weiß ich nicht. Ich glaube das auch gar nicht. Über sein Verschwinden weiß ich nichts. Gehen Sie jetzt.«
»Wie lange hat er seine Frau schon geschlagen?«
»Seit er vor ein paar Jahren nach Surahammar gekommen ist. Wie oft er sie geschlagen hat, weiß ich nicht, aber ich habe es Margareta mehrere Male angesehen. Und ich habe nichts unternommen. Ich habe nichts gesagt.«
Elina spürte Hass gegen den Mann aufflammen, der ihr gegenübersaß. Sie erhob sich mit einer heftigen Bewegung.
»Damit müssen Sie jetzt leben. Lassen Sie uns hoffen, dass wir Bertil Adolfsson finden und ihn vor Gericht stellen können wegen der Misshandlung. Und Sie werden Zeuge sein.«
Sie drehte sich jäh um und verließ Benjaminsson. Auf dem Weg zurück nach Västerås fuhr sie fast 130 km/h, bis ihr Puls wieder normal
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