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Der werfe den ersten Stein

Der werfe den ersten Stein

Titel: Der werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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Teufel kann es angehen, dass keiner reagiert, wenn es anderen Menschen schlecht geht, obwohl die Umgebung es weiß oder vielleicht sogar dafür bezahlt bekommt, es zu wissen? Diese Familie Adolfsson – die Ehefrau ist seit Jahren misshandelt worden und mindestens eins der Kinder wurde geschlagen, und ich hab Grund zu glauben, dass es versucht hat, Hilfe zu finden. Die Leute ihrer Kirchengemeinde haben gewusst, was passiert ist, und das Sozialamt hätte es wissen können, wenn es sich nur ein bisschen mehr bemüht hätte. Aber niemand hat seinen Arsch bewegt, um auch nur das Mindeste zu tun.«
    Sie verstummte nach dem derben Ende ihrer Wortkaskade.
    Kjell Stensson stand auf und begann, in seinem Dienstzimmer herumzuwandern.
    »Sind wir bei der Polizei so viel besser?«, sagte er. »Seit Jahren verfügen wir über das Wissen, wie man die gewöhnlichsten Verbrechen mit neuen Methoden bekämpfen könnte. Aber sie werden selten genutzt. Nimm nur die Misshandlung von Frauen, worüber du ja ziemlich viel weißt. Frauen werden in einem erschreckenden Ausmaß geschlagen und sogar getötet, aber wie oft zuckt die Polizei mit den Schultern und sagt, dass sie nicht ständig alle bedrohten Frauen bewachen kann? Wo es doch eigentlich darauf ankommt, bei jeder Gelegenheit gegen die Männer vorzugehen, die das Besuchsverbot missachten oder auch nur die geringste Drohung gegen eine gefährdete Frau aussprechen? Bestell sie her, verhör sie, stell sie vor Gericht und lass sie verurteilen. Konsequent. Zeig, dass die Gesellschaft nicht toleriert, dass Frauen wie Besitz behandelt werden, mit dem man alles machen kann.«
    Er begann, mit den Armen zu fuchteln.
    »Unsere so genannten Rechtschützer lassen viel durchgehen. Warum zum Beispiel wenden Staatsanwälte und Gerichte nicht konsequent das Gesetz an und verhängen einen Monat Gefängnis für wiederholtes unerlaubtes Fahren? Das würde ungeahnte Konsequenzen haben, musst du dir vorstellen. Jeder Berufsdieb benutzt das Auto, um Diebesgut von seinen Einbrüchen zu transportieren, und fast alle fahren ohne Führerschein. Aber statt sie von der Piste zu räumen, bevor sie das Leben vom nächsten armen Schlucker zerstören, in dessen Haus sie gerade eingebrochen sind, wartet der Staatsanwalt ein Jahr oder so, bis er den Schurken schließlich des einundfünfzigsten Wohnungseinbruchs überführt.«
    »Ich weiß auch nicht, was falsch läuft«, sagte Elina.
    »Oder was man tun sollte.«
    Kjell Stensson setzte sich auf den Stuhl, erhob sich jedoch sofort wieder.
    »Ich werde dir sagen, was falsch läuft. Die Behörden gehen einzig und allein von einem Regelwerk aus. Das ganze soziale Schutznetz baut auf Bestimmungen auf. An und für sich ist alles andere unmöglich. Aber menschliche Schwächen, Fehler und Irrtümer können nicht durch schriftliche Anweisungen behoben werden. Noch weniger das Böse oder das Gute. Ohne Engagement der Angestellten – ich spreche auch von dir und von mir – landen die, die am meisten gefährdet sind, im Abseits. Und wie oft findest du einen Angestellten, der wirklich beseelt ist von seiner Aufgabe? Aus dem Stegreif kann ich mich nicht erinnern, dass ich in all meinen Jahren bei der Polizei mehr als eine Hand voll wirklich engagierter Menschen getroffen habe. Und dabei spreche ich von allen, die mir begegnet sind, innerhalb aller denkbaren Behörden. Manchmal frag ich mich, ob wir von der Polizei nicht am schlimmsten sind«, murmelte er. »Aber ich weiß es nicht. Vielleicht ärgere ich mich auch nur über meine Umgebung … So, jetzt hab ich dir aber einen Vortrag gehalten, über den du nachdenken kannst.«
    »Danke«, sagte Elina unsicher. »Ich werde darüber nachdenken, in erster Linie, was es für mich selbst bedeuten könnte.«
     
    Als Elina in ihr Zimmer zurückkehrte, sammelte sie ihre Papiere ein und schichtete sie zu einem Haufen rechts auf dem Schreibtisch. Sie schaute auf die Uhr. Es war Viertel nach fünf. Sie nahm einen Taschenspiegel aus ihrer Handtasche und warf einen schnellen Blick auf ihr Gesicht. Dann ging sie auf den Korridor und verschloss ihre Tür.
    Ihre Füße waren leicht auf dem Weg zum Bondtorget. Dort gab es alles, was sie für das Gericht heute Abend brauchte: vier frische Feigen, vier Scheiben Parmaschinken, ein kleines Stück Parmesan, vier größere Meereskrebse, einen kleinen Roquefort, drei verschiedene Sorten Salate, Kirschtomaten, eine Gurke, einige Champignons, eine Avocado. Die restlichen Zutaten hatte sie schon zu

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