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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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sicherte,
die ursprünglich für fünf Personen hätte reichen sollen, da die letzte Rückkehrergruppe nur drei Viertel ihrer Rationen verbraucht hatte. Die Zeit des Hungers schien damit vorerst hinter ihnen zu liegen, doch die Bedrohung bekam jetzt einen neuen Namen: Brennstoffmangel. Mit Entsetzen stellte Scott fest, dass in dem eine Gallone (etwa 4,5 Liter) fassenden Kanister ein Gutteil des Öls für die Kocher verschwunden war.
    Abb 208
    Scotts größtes Problem: Brennstoffmangel (im Vordergrund ein leerer Kanister).
    Wie alle Depotvorräte war auch der benötigte Brennstoff genau berechnet und für die einzelnen Expeditionsteams eingelagert worden – jedoch ebenfalls ohne ausreichende Sicherheitsmarge. Schon auf dem Hinweg war das Öl ein knappes Gut, doch wenn jetzt nur noch die Hälfte der vorgesehenen Rationen zur Verfügung stünde, konnte das zu einem lebensbedrohlichen Problem werden. In diesem Fall hätten die Männer nicht allein auf ihre warmen Mahlzeiten verzichten müssen – der Kocher war auch die einzige Wärmequelle, die ihnen in der bitteren Kälte zur Verfügung stand, und sorgte abends im Zelt zumindest einige Minuten lang für einen Anflug von Behaglichkeit.
    Wie konnte es zu diesem Mangel an Brennstoff kommen? Scott benutzte die damals üblichen Blechkanister mit Schraubverschlüssen und Lederdichtungen. Diese Dichtungen jedoch wurden in der extremen Kälte brüchig – und folglich die Verschlüsse undicht. Weil aber die Kanister der leichteren Zugänglichkeit wegen meist oben auf die Depothügel gestellt wurden, verflüchtigte sich ihr Inhalt im Lauf der Zeit in der Sonnenwärme. Dieses Problem war Polarforschern seit Längerem bekannt: Amundsen war ihm während seiner Reise durch die Nordwestpassage begegnet, Scott auf der Fahrt der Discovery . Doch wieder einmal hatte nur der Norweger die nötigen Schritte unternommen, um das Manko zu beheben.
Er führte auf seiner Polreise zugelötete Kanister mit sich, die so dicht waren, dass noch bei 50 Jahre später zufällig entdeckten Behältern der Inhalt völlig unversehrt war. Scotts Kanister dagegen leckten schon nach drei Monaten.
    Die Lage der vier Männer spitzte sich weiter zu, denn zu allem Unglück sanken die Temperaturen auf der Eisbarriere jetzt rapide. Hatten sie sich in den Tagen zuvor schon im Bereich von etwa minus 15 bis minus 25 Grad Celsius bewegt, so kletterte das Thermometer nun tagsüber nur noch auf minus 30 Grad und sank in der Nacht auf unter minus 40 Grad. »Das schnelle Ende dieses Sommers ist ein böses Omen«, klagte Scott am 24. Februar und erkannte: »Es ist jetzt ein Wettrennen zwischen der Jahreszeit und dem schlechten Wetter einerseits und unserer Leistungsfähigkeit und ausreichender Ernährung andererseits.« Handelte es sich bei diesen niedrigen Temperaturen wieder um extrem schlechte Bedingungen, die niemand hatte vorhersehen können? Wie amerikanische Wissenschaftler herausfanden, lagen sie in der Tat um durchschnittlich sechs bis zwölf Grad unter den Temperaturen, die im Zuge der routinemäßigen Wetterbeobachtungen von 1985 bis 1999 in derselben Jahreszeit auf der Eisbarriere gemessen wurden. In diesem 15-Jahre-Zeitraum gab es zudem nur ein Jahr mit einer ähnlich lang anhaltenden Kälteperiode wie 1912. Doch Scott sah sich in einem selbst verschuldeten Teufelskreis gefangen: Da er auf die Ponys als Haupttransportmittel gesetzt hatte, hatte er erst Wochen später aufbrechen können, als es mit Hunden möglich gewesen wäre. Damit aber verschob sich der komplette Zeitplan nach hinten, und die auf 144 Tage angesetzte Reise rückte gefährlich nahe an den Beginn des antarktischen Winters heran. Nach dem ursprünglichen Reiseplan lagen die Männer bis dahin nicht einmal schlecht in der Zeit, doch Scott hatte nicht damit gerechnet, wie geschwächt er und seine Gefährten jetzt sein würden.
    Am Nachmittag des 1. März trafen sie am Mittleren Barrierendepot ein. »Seitdem haben uns drei furchtbare Schläge getroffen, die alle unsere Hoffnungen über den Haufen werfen«, notierte Scott am nächsten Tag vollkommen deprimiert. »Erstens fanden wir höchstens eine halbe statt einer ganzen Gallone Öl vor; selbst bei strengster Sparsamkeit reicht es kaum bis zum nächsten Depot. Dann zeigte uns Oates seine Füße. Seine
Zehen sind augenscheinlich erfroren. Der dritte Schlag kam in der Nacht, als der Wind, den wir freudig begrüßten, starke Bewölkung brachte. Es ging unter 40° hinunter, und heute Morgen brauchten

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