Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
Vom Netzwerk:
wir zum Anlegen unserer Fußbekleidung 1½ Stunden! Trotzdem machten wir uns vor 8 Uhr auf den Weg, aber wir verloren Wegmale und Spuren aus den Augen. Und das Schlimmste von allem: die Oberfläche ist einfach grauenhaft. Trotz des starken Windes und des gefüllten Segels haben wir nur 5½ Meilen zurückgelegt. Wir sind in einer äußerst üblen Klemme, denn wir können die unbedingt nötigen Märsche nicht mehr ausführen, und leiden entsetzlich unter der Kälte!«
    Spätestens jetzt überwältigten Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit die Männer endgültig, auch wenn sie immer noch versuchten, ihre eigenen Gefühle vor den anderen zu verbergen. »Zueinander sind wir unendlich heiter, aber was jeder in seinem Herzen fühlt, kann ich nur ahnen«, notierte Scott, der jetzt als Einziger noch Tagebuch führte, am 3. März. Seine drei Gefährten hatten angesichts der aussichtslos erscheinenden Lage das Schreiben eingestellt, obwohl vor allem Wilson und Bowers ihrem Chef noch immer »unerschütterlich guten Mutes« zu sein schienen. Sie phantasierten von reich gedeckten Tischen und redeten darüber, was sie gemeinsam unternehmen würden, wenn sie erst wieder nach Hause kämen – und wussten doch, dass die Chancen darauf, die Heimat wiederzusehen, mit jeder Stunde sanken.
    Dies alles geschah vor dem Hintergrund, dass Oates immer schwächer wurde. Seit dem Abstieg vom Plateau hatte sich der Zustand seiner erfrorenen Füße stetig verschlechtert; möglicherweise machte ihm auch seine Kriegsverletzung wieder zu schaffen, da bei anhaltendem Vitaminmangel und Skorbut zum Teil jahrealte Wunden wieder aufbrechen können. Es dürfte außer Frage stehen, dass die Männer, die jetzt bereits mehr als vier Monate unterwegs waren und außer den seltenen mit Ponyfleisch angereicherten Mahlzeiten keinerlei Vitamine zu sich genommen hatten, zumindest an einem Frühstadium von Skorbut litten. Am 6. März konnte Oates, den die Männer auch den »Soldier«, »Soldat«, nannten, nicht mehr beim Schlittenziehen helfen und schleppte sich nur noch neben den anderen her. Abends im Zelt schwieg er sich aus und beteiligte sich nicht mehr an den Gesprächen, die zumeist Luftschlösser einer glücklichen
Heimkehr malten. Er schnitt sich einen Schlitz in die Vorderseite seines Schlafsacks, um beim Schlafen seine erfrorenen Füße herausstrecken zu können und sich die Schmerzen zu ersparen, wenn die Füße langsam auftauten. Oates war zu einem Hemmschuh geworden, so hielt Scott es an diesem Abend fest und pries zugleich dessen Tapferkeit. Er wusste, dass in Kap Evans darüber diskutiert worden war, was ein Mann tun sollte, der auf der Polreise zusammenbrach und für die anderen zur Last wurde. Oates hatte damals die Meinung vertreten, dass es nur eine einzige mögliche Lösung gebe – Selbstaufopferung. War dieser Punkt jetzt erreicht?
    Nur noch eine Hoffnung erhielt Oates und die anderen Männer vorerst am Leben – die Hoffnung auf Hilfe von außen, und diese konnte nach Lage der Dinge nur von den Hunden kommen. Schon seit Tagen hatten sie darüber diskutiert, wann und wo sie möglicherweise auf die Hundeteams treffen könnten. Ja näher sie nun dem Mount-Hooper-Depot kamen, desto mehr wurde die Rettung durch die Hunde zur fixen Idee. »Wir hoffen gegen alle Wahrscheinlichkeit, dass die Hunde bis Mount Hooper gekommen sind – dann könnten wir weiterziehen«, hieß es am 7. März, und einen Tag später: »Was werden wir am Depot vorfinden? Wenn die Hunde dorthin gekommen sind, können wir ein gutes Stück vorankommen, aber wenn es wieder einen Mangel an Brennstoff gibt, dann sei Gott uns gnädig!« Als Scott und seine Gefährten dann am 9. März endlich am Ende ihrer Kräfte beim Depot eintrafen, lösten sich alle Hoffnungen in Luft auf. Statt des erhofften Überflusses war der Mangel noch größer als in den vorherigen Depots: »Von allem ist zu wenig vorhanden«, notierte Scott niedergeschlagen – wofür er offenbar die vor ihm zurückkehrenden Männer verantwortlich machte. Die Hunde aber hätten versagt. »Es ist alles ein erbärmliches Durcheinander!«
    Dieses »Durcheinander« hatte jedoch hauptsächlich einen Verursacher – Scott selbst. Der Entschluss, einen fünften Mann mit zum Pol zu nehmen, hatte das auf Vierereinheiten abgestellte System der Vorratslager vollständig vernichtet. Mehr als alles andere jedoch war seine Entscheidung, die Hundeteams viel weiter nach Süden vorstoßen zu lassen als ursprünglich vorgesehen, ein

Weitere Kostenlose Bücher