Der Wettlauf zum Suedpol
norwegischen Blättern geschlossen. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Ernest Shackleton den Kontakt zu der britischen Zeitung vermittelt hatte – »Shackles« hatte kaum Zweifel daran gehabt, dass Amundsen im Wettlauf zum Pol mit seinem Erzfeind Scott die Nase vorn haben würde. 2000 Pfund brachte der Deal mit den Briten, 4000 Kronen bezahlten Tidens Tegen und Aftenposten aus Kristiania dafür, dass Roald Amundsen ihnen am Morgen des 8. März 1912 exklusiv die ersten Details über seinen Sturmlauf zum Südpol telegrafierte. An diesem Tag ging die Nachricht um die Welt.
In Norwegen war der Jubel groß – die Dampfer im Hafen von Kristiania ließen ihre Sirenen erklingen, Flaggen wurden gehisst, Feiern abgehalten. »Die Tat ist einzigartig als Leistung, als Entdeckungsreise«, erklärte Nansen und war voll des Lobes über den »klugen, wohlüberlegten Plan, die glänzende Ausführung durch entschlossenen Mut, Ausdauer und männliche Kraft«. Durch die britische Brille betrachtet sah das freilich ganz anders aus: Für große Teile der englischen Öffentlichkeit war Amundsen weiterhin kein Held, sondern ein Trickser und Betrüger. Es habe nie ein Wettlauf stattgefunden, betonte beispielsweise ein Leitartikler in der Pall Mall Gazette . »Kapitän Scott … wurde von der Admiralität nicht freigestellt, um an einem Marathonlauf teilzunehmen. Auf Fragen von größter wissenschaftlicher Bedeutung sucht er die Antwort.… Die Botschaft gehört zu jenen, auf die Kapitän Scotts Landsleute stolzer sein dürfen als darauf, dass er ihnen hätte mitteilen können, er habe kurz vor Amundsen den Pol erreicht.« Ins selbe Horn stieß Sir Clements Markham, der weiter erklärte, man habe damit rechnen müssen, dass Amundsen so schnell fahren würde, um sich als Erster zu Wort zu melden. »Die Wahrheit aber werden wir erst erfahren, wenn die Terra Nova zurückkommt.«
Endlich am Ziel
Am Silvestertag stehen beide Teams im Ziel. Völlig am Ende mit ihren Kräften, aber gesund und froh, dass es vorbei ist – und sehr stolz auf die erbrachte Leistung. Am Pol anzukommen, sei für ihn ein »seltsam unemotionaler Moment« gewesen, wundert sich Markus Lanz. »Ich habe gedacht: War’s das jetzt, ist es jetzt vorbei? Ich glaube, du bist irgendwann so erschöpft, dass du gar nicht mehr zu großen Gefühlen in der Lage bist.« Auch bei den übrigen Rennteilnehmern ist von jubelnder Begeisterung über die vollbrachte Leistung wenig zu spüren. »Wir sind endlich erlöst«, so Joey Kelly, »es war eine harte Nummer.«
Hermann Maier sagt: »Man marschiert hunderte Kilometer dahin und erwartet sich einen großen Genuss, aber den kriegt man einfach nicht.« Eigentlich stellt er sich nach einer Skitour zur Belohnung eine Abfahrt vor – und hier müsste es nach zwei Wochen Dauertour eigentlich die spektakulärste Abfahrt der Welt geben. Das Besondere sei jedoch, sich an einem historischen Ort zu befinden. Die letzten Kilometer waren für beide Teams die schwersten. Man habe die glitzernde Silhouette der US-amerikanischen Amundsen-Scott Base schon von Weitem vor sich gesehen, aber die Station sei einfach nicht näher gekommen, erzählt Claudia Beitsch.
Abb 190
Die Österreicher am Ziel. Sind sie die Ersten?
Der Zieleinlauf ist ohnehin – wie bereits der Start – ein fast schon kurioser Moment: Da gehen zwei Teams auf eine wirklich spektakuläre Reise, doch weit und breit bekommt es niemand mit, nur die Film- und die Expeditionscrew stehen Spalier. An der Amundsen-Scott-Station gesellen sich noch ein paar Wissenschaftler dazu, zwei aus Deutschland sind darunter – das war’s! Den Moment wirklich zu genießen, das wird bei allen noch ein bisschen dauern, dafür ist er vielleicht auch anfangs noch zu ungewöhnlich.
Immerhin sind die Wettläufer jetzt am Ziel ihrer Reise angekommen und müssen nicht, wie Amundsen und Scott hundert Jahre zuvor, auch noch den Rückweg durch Schnee und Eis antreten. Die amerikanische Polstation bietet dagegen schon fast allen Luxus der Zivilisation – jedenfalls den einer modernen Jugendherberge. Es gibt ein Fernsehzimmer mit Videospielen, einen Fitnessraum, eine Turnhalle, einen Bandprobenraum, natürlich eine Küche mit kleiner Kantine, ein Laden mit ein paar Souvenirs und einem Postschalter und jede Menge Labors.
Im Gegensatz zum futuristisch anmutenden Äußeren sieht es innen allerdings nicht aus wie in einem Raumschiff mit vielen blinkenden Lämpchen, sondern eher nüchtern
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