Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
Vom Netzwerk:
hatte. Doch seiner Meinung nach ging es ja nicht um eine Rettungsmission, sondern lediglich darum, auf einer relativ oft befahrenen und gut markierten Strecke einige Vorräte in ein Depot zu bringen.
    Das ganze »erbärmliche Durcheinander« verkomplizierte sich nun jedoch noch einmal dadurch, dass Evans von Scott die definitive Anweisung erhalten hatte, dass die beiden Hundeteams die Polgruppe Mitte Februar zwischen dem 82. und 83. Breitengrad – also zwischen dem südlichen und dem mittleren Barrierendepot – treffen sollten. Es ist unklar, ob dieser Befehl von dem geschwächten Evans nicht oder falsch weitergegeben, ob er in der Hektik vergessen oder als nicht praktikabel erachtet wurde. Atkinson hielt jedenfalls weiter an der Depotfahrt fest, weil diese ihm am plausibelsten schien. Er kannte Scotts Zeitplan und berechnete aus dem Termin, an dem die letzte Unterstützergruppe Scott und seine
Männer verlassen hatte, sowie aus der Durchschnittsgeschwindigkeit der Rückkehrer, die sogar noch mit dem kranken Teddy Evans um die 18 Kilometer am Tag betragen hatte, dass die Polgruppe schon viel weiter nördlich sein musste als 82 Grad. In dieser Situation schien es nun lediglich darauf anzukommen, schnellstmöglich die noch fehlenden Vorräte zum One Ton Depot auf 79°28’ zu bringen, um die Versorgung der Polgruppe sicherzustellen.
    Abb 209
    Auch die Hunde haben sich bei den langen Touren bis zur völligen Erschöpfung verausgabt.
    Abb 210
    Obwohl er keine Erfahrung mit Hunden und Navigation hatte, sollte Cherry-Garrard Nachschub zum One Ton Depot bringen.
    Mit diesem Hauptauftrag schickte Atkinson Cherry-Garrard und Dmitrij am frühen Morgen des 26. Februar auf die Reise. Gleichzeitig schärfte er ihnen noch einmal ein, dass dies keine Rettungsmission sei und die Hunde keinesfalls aufs Spiel gesetzt werden dürften. Inzwischen war Atkinson auch aufgefallen, dass das eigentlich eingeplante Hundefutter am One Ton Depot nicht vorhanden war, doch da die beiden Schlitten bereits schwer beladen waren und es seiner Meinung darauf ankam, rasch vorzustoßen, konnte lediglich das nötige Futter für die prognostizierte Reisedauer von etwa drei Wochen mitgenommen werden.
    Cherry-Garrard und Dmitrij sollten auf ihrer Tour mit den gleichen extremen Bedingungen konfrontiert werden, die Scott und seinen Männern
auf der Eisbarriere so arg zu schaffen machten: Das Thermometer fiel auf unter minus 40 Grad Celsius, und sie hatten wiederholt schwere Schneestürme zu überstehen. Dennoch kamen sie mit den Hunden bestens voran und schafften die 240 Kilometer bis zum Depot in sechs Tagen. Cherry-Garrard war erleichtert, dass Scott noch nicht eingetroffen war und er die Vorräte noch rechtzeitig herangeschafft hatte. Doch was war jetzt zu tun? Atkinson hatte ihm für den Fall, dass die Polgruppe wider Erwarten ausblieb, volle Handlungsfreiheit erteilt. Vier Tage lang nahm ein schwerer Schneesturm den Männern die Entscheidung ab, doch dann mussten sie sich festlegen: Sollten sie warten oder sich doch weiter nach Süden vorwagen? Cherry-Garrard fürchtete, die Polgruppe auf dem Weg zu verpassen; außerdem ging das Hundefutter für die arg erschöpften Tiere zur Neige. Weiter südwärts konnten sie nur gelangen, wenn sie einige Hunde töteten und an die übrigen verfütterten – dagegen sprachen jedoch die Befehle, dass die Tiere auf jeden Fall zu schonen seien. Cherry-Garrard entschied sich zu warten, denn er hatte, wie er später schrieb, keinen Grund anzunehmen, dass die Polgruppe in Nahrungsmittelnöten sein könnte.
    Alles in allem harrten sie fast eine Woche aus, ehe sie beschlossen, sich auf den Rückweg zu machen. Am Morgen des 10. März packten sie nach einer bitterkalten Nacht ihre Sachen zusammen und schirrten die Hunde an. Mit ihrem sechsten Sinn schienen die Tiere zu spüren, dass ihnen das Schlimmste erspart bleiben würde. Mit aller Macht drängten sie nach Norden. »Die Hunde gebärdeten sich wie verrückt – wie die Irren«, notierte Cherry-Garrard in sein Tagebuch. »Alles, was wir tun konnten, war, uns an den Schlitten zu klammern und sie loszulassen. Es gab keine Möglichkeit mehr zurückzufahren, zu wenden oder zu steuern.« Am Abend dieses Tages schlugen sie ihr Lager schon fast 40 Kilometer nördlich des One Ton Depots auf.

    Abb 211
    Edward Atkinson, der als ranghöchster Offizier von Kap Evans aus die Rettung der verschollenen Polgruppe zu organisieren versuchte.
    Abb 204
    Atkinson konnte es als Arzt nicht

Weitere Kostenlose Bücher