Der Wettlauf zum Suedpol
unbegreiflich weit weg. Aber die aufmunternden Worte am Telefon geben auch neue Kraft für den Schlussspurt zum Pol.
Abb 158
Tränen der Rührung: Claudia Beitsch mit ihrer Weihnachtsüberraschung.
Abb 159
Auch Dennis Lehnert erhielt einen familiären Weihnachtsgruß.
Ansonsten begehen die Teams den Tag auf ihre mittlerweile schon gewohnte Weise. Hermann Maier wandelt ganz offensichtlich in den Spuren von Robert Falcon Scott, wenn er ankündigt: »Also, wir werden mal ganz was Besonderes machen, wir werden 45 Kilometer im Schnee marschieren – mal ganz ein anderer Weihnachtsabend als sonst.« Doch auch der »Herminator« bekennt: »Ich war noch nie am Heiligen Abend weg von der Familie. Ein komisches Gefühl.« Und Markus Lanz erklärt, in Zukunft werde es für ihn ganz ausgeschlossen sein, Weihnachten noch einmal getrennt von seiner Familie zu verbringen.
Am Abend gibt es im deutschen Zelt bayerische Knödel, die Dennis Lehnert mitgebracht hat. Claudia Beitsch stellt dazu eine Kerze auf – das war’s. Todmüde wie an den anderen Tagen kriechen die Wettläufer in ihre Schlafsäcke, und Weihnachten in der Antarktis ist vorbei.
Abb 173
Zwieback, Pemmikan (Dörrfleisch), Butter, Zucker, Kakao und Tee: Die übliche (viel zu geringe) Tagesration für einen Schwerstarbeiter im Zuggeschirr eines Schlittens.
Immerhin fand dieser Weihnachtstag doch noch einen versöhnlichen Abschluss – mit einem üppigen Festmahl am Abend, dessen Zutaten Bowers heimlich mit ins Gepäck geschmuggelt hatte. Es gab einen »guten fetten Hoosh« aus Pemmikan, Ponyfleisch und Zwiebackkrümeln, einen Schokoladen-Hoosh aus Kakao, Zucker, Zwieback und Rosinen, dazu ein großes Stück Plumpudding und einen Becher Kakao. Den Abschluss bildeten vier Karamelbonbons und fünf Ingwerplätzchen. »Ich konnte meine Portion nicht ganz aufessen und legte mich mit dem Gefühl zu Bett, als ob ich mich in einen Vielfraß verwandelt hätte«, so Bowers danach, und selbst Scott musste zugeben: »Wir haben alle wunderbar geschlafen und fühlten uns herrlich warm. Was volle Verpflegung doch bewirken kann!« Natürlich schweiften die Gedanken der Männer an diesem Abend in die Heimat, sie sprachen über die Rückkehr zu ihren Lieben und ihre Zukunftspläne. Bowers erklärte Teddy Evans, er werde zum nächsten Weihnachtsfest alle armen Kinder, deren er habhaft werden könne, reich beschenken. Niemand zweifelte daran, dass er gesund wieder nach Hause zurückkehren würde.
Körperliche Belastungen
Spätestens mit Beginn des Rennens ist allen Akteuren klar: Der Marsch zum Südpol »ist keine Kinderjause« (Tom Walek), sondern verlangt den zwei Frauen und sechs Männern alles ab. An die Strapazen des Gletscheraufstiegs schließt sich unmittelbar die mühsame Überquerung der Hochebene auf dem Polarplateau an. Dort lässt die dünne Höhenluft schon die kleinste Anstrengung zur Tortur werden, zudem behindern immer wieder Sastrugi das Vorwärtskommen.
Sastrugi sind Eisverwehungen, die außer auf den wenigen Blaueisfeldern und dem einen Prozent, das nicht von Schnee und Eis bedeckt ist, die Oberfläche der gesamten Antarktis bestimmen. Im Gegensatz zu Wechten entstehen Sastrugi dadurch, dass durch den Wind der weichere und lose Schnee weggeweht wird. Sie können knochenhart sein und stellen für die Skifahrer ernsthafte Behinderungen dar – gerade wenn der Weg im rechten Winkel zur Windrichtung verläuft. Immer wieder fallen Schlitten um und müssen dann mühsam aufgerichtet werden.
Unter diesen Umständen geraten die meisten Rennteilnehmer rasch an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Claudia Beitsch aus dem deutschen Team ist nach einigen Tagen dermaßen körperlich erschöpft und nervlich so am Ende, dass alle sich und sie fragen, ob und wie es weitergehen wird. Auch Joey Kelly hat Schmerzen an den Füßen, ein Knöchel drückt gegen den Schuh. Er leidet Qualen, doch er beißt sich durch. Dennis Lehnert ist ebenfalls völlig überanstrengt, er hat Claudia viel Gewicht abgenommen und deshalb einen sehr schweren Schlitten zu ziehen.
Den Österreichern geht es kaum besser. Auch sie sehen bald so aus, als hätten sie zwei Wochen lang nicht geschlafen. Alexander ist kaputt, Tom Walek dagegen hat immer noch Zeit und Kraft für ein kleines Späßchen, aber auch seine Augen sind sehr gerötet.
Doch egal, wie belastet sie sind: Sie müssen sich rund um die Uhr weiterhin konzentrieren. Rund um die Uhr muss alles bedacht werden: Sind, wenn der Wind pfeift oder die
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