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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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durchschlagen.
    Abb 174
    Ohne Navigator zum Pol? Scotts Stellvertreter Teddy Evans (hier im Oktober 1911 neben einem Theodoliten stehend) musste am 4. Januar 1912 umkehren.
    Es ist viel über diese völlig überraschende Entscheidung Scotts spekuliert worden. Warum sollten plötzlich fünf Leute zum Pol – und warum gerade diese fünf? Dass Scott selbst die Gruppe trotz all seiner körperlichen Beschwerden anführen würde, darüber konnte kein Zweifel bestehen. Auch dass Wilson ihn begleiten würde, war keine Überraschung, bestand doch zwischen beiden Männern seit der Discovery -Expedition eine enge Beziehung. Wie damals hatte der stets stoische Gelassenheit ausstrahlende Wilson auch diesmal immer wieder als Vermittler zwischen dem launischen Chef und seinen Untergebenen fungieren müssen.

    Abb 176
    Abb 177
    Begleitet wurde der Offizier Evans auf dem Rückweg von den Mannschaftsdienstgraden William Lashly (links) und Tom Crean (rechts).
    Doch was war mit den anderen? Scott hegte die Vorstellung, dass seine Polgruppe ein Spiegelbild der britischen Gesellschaft sein müsse. Neben seiner eigenen Person als führendem Vertreter der Navy und Wilson als Repräsentant der Wissenschaft musste deshalb auch die Army gebührend berücksichtigt werden. Für diese Rolle stand allein Oates zur Verfügung. Dessen Aufgabe war es eigentlich gewesen, die Ponys über die Eisbarriere zu bringen, und mit dem Aufstieg zum Polarplateau war auch sein persönlicher Ehrgeiz befriedigt. Aufgrund seines schlechten körperlichen Zustands wäre es nun dringend geboten gewesen umzukehren, doch einmal mehr verbot es ihm seine Erziehung, Schwächen offen zuzugeben und aus dem Prinzip von Befehl und Gehorsam auszubrechen.
    Es war für die Außenwirkung der Expedition ebenso wichtig, auch einen Vertreter des Mannschaftsdecks, das zu diesem Zeitpunkt noch durch Edgar Evans, Lashly und Crean repräsentiert wurde, mit zum Pol zu nehmen. Scott hatte sich früh auf Evans, der schon die Discovery -Reise mitgemacht hatte, festgelegt. Evans war ein Hüne und schien über gewaltige
Körperkräfte und eine unermüdliche Ausdauer zu verfügen. Wilson war anderer Meinung. Er kannte Evans’ fatale Neigung zu übermäßigem Alkoholgenuss und hielt ihn in Stresssituationen für wenig belastbar. Er plädierte für Lashly, der ebenfalls zu den Discovery -Veteranen auf der Expedition gehörte. Doch Lashly war schon seit dem Zusammenbruch der Motorschlitten gezwungen gewesen, seinen Schlitten selbst zu ziehen. Deshalb stand zu befürchten, dass er bald am Ende seiner Kräfte sein würde. Auch der bärenstarke Crean, der die Strapazen der vorangegangenen zwei Monate von allen Männern vielleicht am besten überstanden hatte, fand vor Scotts Augen keine Gnade: Letztendlich setzte er sich durch, und Edgar Evans war weiter mit dabei.
    Weshalb aber sollte Bowers nun diese Vierergruppe verstärken? Sicherlich nicht, um die Engländer Scott, Wilson und Oates sowie den Waliser Evans nun auch noch durch einen Schotten zu ergänzen. Der erst 28 Jahre alte Bowers hatte ursprünglich nicht einmal zur Landungsgruppe gehört, dann aber eine regelrechte Blitzkarriere hingelegt und war aufgrund seiner organisatorischen Fähigkeiten rasch zur unentbehrlichen rechten Hand des Chefs avanciert. Bowers’ Talente wurden jetzt aber auch noch auf anderen Gebieten benötigt. Irgendwann in diesen Tagen war Scott aufgefallen, dass ihm auf dem Polarplateau ein Navigator fehlen würde. Den eigentlichen Fachmann Teddy Evans wollte er aus den bekannten Gründen nicht mitnehmen. Wilson, Oates und die drei Matrosen hatten keine Erfahrung auf diesem Gebiet, seine eigenen Kenntnisse waren verkümmert. Es blieb also nur Bowers übrig, der fähig war, die Gruppe sicher durch die Einöde des Plateaus, in der es keinerlei landschaftliche Anhaltspunkte für eine Routenführung gab, zu lotsen.
    »Dennoch handelte es sich bei der Entscheidung für Bowers wahrscheinlich vor allem um einen spontanen Beschluss«, schreibt Scott-Biografin Diana Preston. Es sei eine Eigenart von Scott gewesen, »Entscheidungen rasch und ohne vorherige Beratung zu treffen«. Möglicherweise habe er sich vom Einsatz eines fünften Mannes auch einfach nur mehr Kraft für das Ziehen des Schlittens erhofft. Sollte Scott darauf gesetzt haben, so hatte er sich jedoch selbst zuvor einen Bärendienst erwiesen: Bowers hatte seine Skier wie die übrigen Mitglieder des Teams von Teddy Evans am Silvestertag im Depot zurücklassen müssen.

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