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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Schlitten eben schlecht beladen war. Außerdem, so Scott in seinem Tagebuch, fehlten dem Team einfach die »seemännische Sorgfalt« und der richtige Schwung. »Die Gruppe ist nicht erschöpft«, schrieb er in sein Tagebuch. »Ich habe ihnen klipp und klar gesagt, dass sie das Problem selbst anpacken und
auch selbst lösen müssten. Es gibt keinen erdenklichen Grund, weshalb sie nicht so leicht vorankommen sollten wie wir.«
    Abb 153
    Im britischen Team (hier am Silvestertag 1911 im sogenannten Drei-Grad-Depot) wurde die Frage, wer der Südpolgruppe angehören sollte, immer akuter.
    Nachdem am Silvestertag ein weiteres Depot angelegt wurde, befahl Scott den vier Männern des zweiten Schlittenteams plötzlich, sich dort ihrer Skier zu entledigen und zu Fuß weiterzugehen. Eine mehr als merkwürdige Entscheidung, befand man sich doch jetzt in den flacheren oberen Abschnitten des Gletschers, in denen Skier die besten Dienste leisteten – zumal sich die Männer nach dem Prinzip learning by doing inzwischen zu passablen Skiläufern entwickelt hatten. Scotts Befehl lässt sich nur so interpretieren, dass er seinen Stellvertreter Teddy Evans, dem er von Beginn an versprochen hatte, der Polgruppe anzugehören, weiter demoralisieren und schwächen wollte. Vielleicht hoffte er, dass Evans dann von sich aus auf den Marsch zum Pol verzichten würde. Wieder einmal tat sich Scott schwer, seinen Männern reinen Wein einzuschenken. Noch immer hatte er nicht bekannt gegeben, wer von den acht Männern für den Weg zum Südpol vorgesehen war, obwohl die Entscheidung nicht mehr lange hinausgeschoben werden konnte.

    Nachdem die Männer am selben Tag etwa sieben Meilen weit gekommen waren, ordnete Scott an, beide Schlitten von 12 Fuß Länge (ca. 3,65 Meter) auf 10 Fuß (ca. 3,05 Meter) zu verkürzen, um ihr Gleitvermögen zu verbessern. Für die Mannschaftsdienstgrade Lashly, Crean und Edgar Evans war das eine harte Arbeit bei Temperaturen um minus 20 Grad Celsius, die zudem viel mehr Zeit in Anspruch nahm, als Scott es sich ausgerechnet hatte. Erst gegen zwei Uhr morgens krochen die Männer todmüde in ihre Schlafsäcke. Während des Umbaus hatte sich Edgar Evans durch einen Schnitt in die Hand verletzt – eine an sich belanglose Sache, die sich jedoch im weiteren Verlauf der Reise noch tragisch auswirken sollte.
    Am 2. Januar 1912 hatten sie endlich die letzten Ausläufer des Beardmore-Gletschers hinter sich. Vor ihnen lag die gewaltige Ebene des Polarplateaus. Der Pol war nur noch etwa 270 Kilometer entfernt. Am nächsten Morgen trat Scott ins Zelt der Gruppe von Teddy Evans. Das Zelt war voller Tabakqualm, und Crean hustete in dem Moment zufällig. »Mit so einer Erkältung muss man vorsichtig sein«, bemerkte Scott, doch Crean durchschaute ihn: »Wenn so durch die Blume gesprochen wird, dann muss man es wohl verstehen.« So beiläufig wie möglich teilte Scott danach den Männern mit, dass er mit seinem eigenen Team zum Pol gehen werde. Nach den Erfahrungen der vorangegangenen Wochen war das keine wirkliche Neuigkeit mehr, doch dann ließ Scott die Bombe platzen: Er schickte alle bis auf Teddy Evans aus dem Zelt und fragte diesen, ob er für seine eigene Rückreise auf Bowers verzichten könne. Evans blieb keine andere Wahl als zuzustimmen, hätte er sich doch andernfalls dem Vorwurf ausgesetzt, die Polreise zu gefährden.
    Bowers würde nun also zu den vier Mann von Scotts Truppe hinzustoßen, was die Lage weiter verkomplizierte. Die gesamte Logistik der Expedition war auf Vier-Mann-Einheiten aufgebaut: Die Lebensmittel- und Brennstoffrationen waren für vier Mann pro Woche ausgelegt, die Zelte boten vier Männern Platz, die Kochausrüstung umfasste je vier Becher, vier kleine Pfannen und vier Löffel. Nicht nur, dass die Rationen der Polgruppe damit plötzlich für einen Mann mehr reichen mussten; die Entscheidung stellte auch Teddy Evans auf dem Weg zurück vor nahezu unlösbare Schwierigkeiten: Er durfte in den Depots die Rationen seines Teams
nur noch zu drei Vierteln aufbrauchen, hatte aber keine Mittel, die bis aufs letzte Gramm berechneten Portionen genau abzuwiegen. Scott schien sich darüber keine Gedanken zu machen – er hatte festgestellt, dass er zum ersten Mal auf seiner Reise Shackleton tatsächlich voraus war. »Wir haben 5½ Lebensmitteleinheiten, mehr als eine Monatsration für jede Person; damit müssen wir auskommen«, machte er sich und seiner Gruppe Mut. Und die Rückkehrer? Die würden sich schon irgendwie

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