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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Zeug«, notierte Bjaaland. »Wir liefen elf Meilen im Nebel und Treibschnee, ohne etwas zu sehen. Glücklicherweise klarte es auf, und kurz danach sahen wir das Depot in zweieinhalb Meilen Entfernung. Unsere Freude war groß, das brauche ich wohl nicht zu sagen.« Nachmittags gegen drei Uhr kamen sie wieder im Lager an, wo ihre Kameraden sie sehnsüchtig erwarteten. Insgesamt hatte Hansen mit seinen Hunden an diesem Tag 42 Meilen zurückgelegt, also mehr als 75 Kilometer. »Da sage noch einer, dass Hunde in diesem Gelände wertlos sind«, frohlockte Amundsen einmal mehr.
    Menschen und Tiere stillten ihren Hunger und ruhten sich aus, dann brachen sie erneut auf in Richtung Norden. Es galt jetzt, das Depot bei
der »Metzgerei« mit seinem frischen Fleisch zu finden, das für den Gesundheitszustand der Hunde von großer Bedeutung war. Der Hundepemmikan, so nahrhaft er auch sein mochte, konnte niemals frische Nahrung ganz ersetzen. Amundsen hatte sich jetzt entschieden, den starren Tourplan mit 15-Meilen-Märschen und festen Ruhepausen ad acta zu legen und fortan ohne Rücksicht auf Tag oder Nacht immer dann zu fahren, wenn es am besten passte. Am 4. Januar stießen sie erneut auf die Linie ihrer Schneewarten und kamen am Morgen des folgenden Tages in den Bereich der »Metzgerei«. Wieder einmal sah die Umgebung jedoch ganz anders aus, als sie es in Erinnerung behalten hatten. »Damals hatten wir Berge im Westen und Norden gesehen, aber sie waren sehr weit entfernt gewesen«, wunderte sich Amundsen. »Jetzt schien dieser ganze Teil des Horizonts von ungeheuren Gebirgsstöcken eingenommen zu sein, die ganz dicht an uns heranreichten. Was in aller Welt bedeutete denn das? War es Hexerei? Darauf hätte ich hoch und heilig schwören können, dass ich diese Landschaft mit keinem Auge so gesehen hatte.«
    Auch das so wichtige Depot war zunächst unauffindbar, obwohl die Männer die errechnete Entfernung seit der letzten Warte zurückgelegt hatten. Wieder und wieder hielten sie an und beratschlagten, was zu tun sei. Da rief Hansen plötzlich: »Da drüben sind vor uns schon Leute gewesen! « – »Ja, wahrhaftig«, bestätigte Wisting, »dort steht wirklich mein abgebrochener Ski, den ich beim Vorratslager hineingesteckt habe!« Erneut war das Glück den Norwegern hold – Gott sei Dank hatte der umsichtige Wisting den Ski auf die Spitze der Schneepyramide, die auf den ersten Blick kaum anders aussah als die zahlreichen übrigen Schneehügel in der Umgebung, gesteckt, und dort war er von den scharfen Augen Hansens entdeckt worden. Nun konnten sich die Hunde endlich wieder einmal an frischem Fleisch sattfressen; und nun hatte Amundsen auch den besten Ausgangspunkt für den folgenden Abstieg zur Eisbarriere gefunden – wenn es in der gedachten Richtung momentan auch noch so aussah, als würde das Gelände geradewegs nach oben in das Gebirge übergehen, statt abzufallen.
    Die »Metzgerei« war auch diesmal kein besonders einladender Ort, obwohl das Wetter nicht so schlecht war wie bei ihrem ersten Aufenthalt. Deshalb machten sich die Männer gleich auf die Weiterreise und erreichten bald die oberen Ausläufer des Axel-Heiberg-Gletschers. In rasender
Fahrt ging es die Hänge hinab, und Bjaaland war ganz in seinem Element: »Das Skilaufen war herrlich«, trug er am 6. Januar in sein Tagebuch ein. »Ich hatte mehrere wunderschöne Abfahrten und bin mit dem Kapitän um die Wette gelaufen.« Auch Amundsen war begeistert: »Ein Hang steiler als der andere. Wir sausten schnell wie ein Wirbelwind zu Tal. Ein wundervoller Sport.« Weniger Freude an diesen rasanten Abfahrten hatten freilich die Schlittenlenker, war es doch nahezu unmöglich, die Gefährte bei höheren Geschwindigkeiten sicher zu beherrschen. Wieder mussten die Kufen mit Seilen umwickelt werden, um die Schlitten zumindest etwas abzubremsen. Zudem war die Gefahr durch Gletscherspalten und plötzlich auftauchende Abgründe noch längst nicht vorüber. doch Amundsen und seine Männer kamen durch. Am Abend des 7. Januar hatten sie wieder das Schelfeis unter ihren Füßen. Innerhalb von nur zwei Tagen hatten sie den Abstieg vom Polarplateau geschafft. Alle waren froh, endlich der dünnen und kalten Höhenluft entronnen zu sein und wieder richtig durchatmen zu können.
    Kurz vor Mitternacht erreichten sie ihr Depot auf 85°5’. Die Schneepyramide, die sie gut sieben Wochen zuvor als Orientierungspunkt extra groß und hoch aufgeschüttet hatten, war in der Sonne des antarktischen

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