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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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eben auf der Höhe des 160. östlichen Längengrads die letzten Ausläufer des Beardmore-Gletschers bezwang, von Amundsen, der sich auf 170 Grad West an den Abstieg vom Polarplateau machte. Die Voraussetzungen hätten unterschiedlicher nicht sein können: Dort die bereits jetzt ausgelaugten Briten, die ihre Schlitten im Schweiße ihres Angesichts nach Süden beförderten, hier die aufgekratzten Norweger, die ihren Job erledigt hatten und nun in Richtung Norden stürmten. Nur einige unangenehme Schneewehen, sogenannte Sastrugi, behinderten die zügige Fahrt. »Wisting hat ein Segel an seinem Schlitten befestigt«, trug Amundsen am 29. Dezember in sein Tagebuch ein, »und mit der frischen Brise ging es traumhaft voran, auch wenn die Sastrugi ziemlich groß waren. Wisting gelang es sogar, mit Hansen Schritt zu halten, und die Hunde stimmten ein wahres Freudengeheul an.«
    Allerdings lief auch bei den Norwegern nicht alles glatt. Auf der Höhe des 88. Breitengrads hatte Bjaaland ihre alten Spuren verloren, und bald entdeckten die Männer auch keine der Schneewarten mehr, die sie auf dem Hinweg so fleißig errichtet hatten. Unglücklicherweise hatte Amundsen seit dem Aufbruch vom Pol auf astronomische Messungen verzichtet und geglaubt, sich auf dem Rückweg an den charakteristischen Landmarken des Transantarktischen Gebirges orientieren zu können.
Doch die zahlreichen Berge, die auf dem Hinweg oftmals nur für einige Momente im Nebel zu erkennen gewesen waren, sahen nun bei anderen Wetter- und Lichtverhältnissen ganz anders aus. Weil Amundsen zudem wichtige Peilungsangaben verwechselt hatte, befanden sich die Männer bald wieder auf unbekanntem Terrain. »Wir laufen durch einen Irrgarten. Es ist unmöglich festzustellen, wo wir sind«, hieß es dementsprechend auch am 1. Januar.
    Abb 168
    Das Auffinden ihrer Depots war für Amundsens Männer vor allem deshalb wichtig, damit sie ihre Hunde mit frischem Fleisch versorgen konnten.
    Zunächst sorgte noch ein anderes Problem für Ablenkung: Wisting hatte starke Zahnschmerzen. Weil es, wie er sarkastisch bemerkte, etwas weit bis zum nächsten Zahnarzt war, mussten die Männer selbst damit fertig werden. Wisting bat Amundsen, der immerhin einige Semester Medizin studiert hatte, sich mit der Angelegenheit zu befassen. »Er war auch sofort bereit, und wir holten die Zange heraus. Sie war so kalt, dass sie erst über dem Primusofen gewärmt werden musste«, erinnerte sich Wisting später. »Dann kniete ich mich in meinen Schlafsack, er setzte sich in seinen eigenen vor mich und zog dann mit allen Kräften. Nach einer fürchterlichen Prozedur war die Operation schließlich mit Erfolg beendet, und im selben Moment waren auch meine Schmerzen vorbei.«

    Am 2. Januar erreichten sie die Ausläufer des Teufelsgletschers, doch zu ihrer großen Freude zeigte dieser jetzt ein äußerst freundliches Antlitz. Das Gewirr aus Spalten und Abgründen, das sie auf dem Hinweg drei gefahrvolle Tage gekostet hatte, war nun in wenigen Stunden bezwungen. Der unheimliche »Tanzsaal des Teufels« blieb ihnen sogar gänzlich erspart. Nun erkannte Amundsen auch seinen Fehler: Wegen der falschen Peilungen war er nicht zu weit nach Osten geraten, wie er gemeint hatte, sondern im Gegenteil zu weit nach Westen. Deshalb war der Übergang über den Teufelsgletscher, der sich in nordöstlicher Richtung zur Eisbarriere erstreckte, nun auch so problemlos vonstatten gegangen. Freilich wollte er das am Rand des Gletschers niedergelegte Depot nicht einfach so aufgeben. Zwar hatte er genug Lebensmittel, um mit seinen Männern auf die Eisbarriere zu kommen, doch um das Futter für die Hunde war es weniger gut bestellt. Würde nun auch noch das »Metzgerei«-Depot verfehlt, so hätten die Norweger ihre Hunde töten und die Schlitten selbst ziehen müssen – eine Aussicht, die ihnen wenig verlockend erschien.
    Zu allem Überfluss legte sich nun auch noch dicker Nebel über die Landschaft, der die Orientierung zusätzlich erschwerte. Nur in den wenigen lichten Momenten, wenn die Sonne einmal durchbrach, konnten sie ihre Umgebung erkennen – und sie hatten Glück: Sie entdeckten den Grat, auf dem sie sich wenige Wochen zuvor ihren Weg durch das Gletschergewirr gebahnt hatten, und beschlossen, die Vorräte aus dem Depot zu bergen. Bjaaland und Hansen brachen um fünf Uhr morgens mit einem Schlitten in die vermutete Richtung auf. »Der Kapitän meinte, es seien acht Meilen, aber ich habe gleich gesagt, das ist dummes

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