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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Wort in Großbuchstaben begann: »RECORD«. Er hatte mit seinen Männern Shackletons südlichsten Punkt überschritten – auf den Tag genau drei Jahre, nachdem sein Rivale den Rückzug angetreten hatte. Nun wähnte er sich endgültig auf der Siegerstraße.
    Eine Reihe von Umständen zeigte jedoch, dass der Vormarsch mit zunehmend größeren Schwierigkeiten verbunden war. Schon drei Tage zuvor hatte wieder einmal eine von Scotts irrationalen Ad-hoc-Entscheidungen für eine Verzögerung gesorgt, als er bei der Durchquerung eines Gebiets mit zahlreichen Sastrugi befahl, die Skier abzulegen und wegzuwerfen. Kaum zwei Kilometer später ließen die Schneewehen plötzlich nach, und jemand musste umkehren und die Skier wieder holen. Doch auch mit ihnen kamen die Männer auf dem stumpfen Schnee immer schlechter voran. »Wieder auf dem Marsch, musste ich zu meinem Entsetzen feststellen, dass wir den Schlitten auf Skiern kaum bewegen konnten. Die erste Stunde auf diesem entsetzlichen, lockeren und sandigen Schnee war fürchterlich. Wir gaben jedoch nicht auf, und gegen Ende unseres ermüdenden Marsches kamen wir besser voran. Trotzdem war es ein hartes Stück Arbeit.« Die Klagen über den schlechten Untergrund rissen in den folgenden Tagen nicht ab. »Ein schrecklich mühsamer Marsch«, hieß es am 10. Januar in Scotts Tagebuch, und einen Tag später: »So etwas habe ich noch nicht erlebt! Der Schlitten schrammte und krachte beängstigend. Wir schafften sechs Meilen, aber um welchen Preis?… Am Nachmittag weiter geschunden und weitere fünf Meilen geschafft. Noch 74 Meilen bis zum Pol – können wir das noch sieben weitere Tage durchhalten? Es schlaucht uns wie sonst etwas! Keiner von uns hat je zuvor so hart arbeiten müssen.«
    Das war ein Hinweis darauf, dass die Kräfte der ohnehin bereits geschwächten Männer weiter rapide nachließen. Die Mangelerscheinungen, die ihren schon während des Aufstiegs am Beardmore-Gletscher zu schaffen gemacht hatten, verstärkten sich zusehends. Die Schnittwunde, die sich Edgar Evans während des Umbaus der Schlitten zugezogen hatte, wollte nicht heilen und bildete immer wieder neue Eiterherde – ein deutlicher Hinweis auf beginnenden Skorbut. Auch die zunehmende Kälteempfindlichkeit der Männer war wohl eine Folge des akuten Vitaminmangels. »Beim Zelten heute Nacht kühlten wir alle aus«, notierte Scott am
12. Januar. »Wir nahmen einen Kälteeinbruch an, aber zu unserer Überraschung war die tatsächliche Temperatur höher als letzte Nacht, als wir in der Sonne bummeln konnten. Es ist unerklärlich, warum wir die Kälte plötzlich so intensiv spüren.« Kälte, Hunger und Erschöpfung waren jetzt immer wieder Thema und schlugen auch auf das Gemüt der Männer.
    Nur eines gab Scott und seinen Gefährten stets von Neuem Auftrieb: Allen Schwierigkeiten und Beschwernissen zum Trotz rückten sie dem Pol immer näher. »Es ist wunderbar, sich vorzustellen, dass wir mit zwei langen Märschen am Pol sein können«, jubelte Scott am Abend des 15. Januar, nur noch 50 Kilometer entfernt vom ersehnten Ziel. »Wir haben heute unser Depot für neun Tage niedergelegt, sodass es jetzt Gewissheit werden sollte – mit der einzigen entsetzlichen Möglichkeit, sehen zu müssen, dass die norwegische Flagge der unseren zuvorgekommen ist.« Doch genau dies war geschehen, wenn es auch nicht die dreifarbige Fahne mit dem skandinavischen Kreuz war, die ihm die Niederlage anzeigen sollte.
    Abb 179
    Trotz des Schocks fertigte Wilson akribische Skizzen von den Relikten der Norweger an.
    Am Morgen des 16. Januar waren die Männer zuversichtlich aufgebrochen. Schnell ging es an diesem Tag voran, bis zum Mittag waren 14 Kilometer geschafft. Die Aussicht, vielleicht schon am Abend des folgenden Tages am Pol zu stehen, beflügelte ihre Schritte. Doch plötzlich bemerkte ausgerechnet Bowers, der sich zu Fuß in der Mitte des Gespanns abmühte, etwas Ungewöhnliches in der Ferne. Erschrocken redete er sich selbst und den anderen ein, dass es sich bei dem Gebilde um eine Schneewehe handeln müsse, aber bald entpuppte sich die vermeintliche Naturerscheinung
als ein schwarzer Punkt, der unmöglich einen natürlichen Ursprung haben konnte. In atemloser Spannung machten sich die Männer dorthin auf den Weg und fanden an einem Schlittenständer eine schwarze Flagge. In der Nähe entdeckten sie einen verlassenen Lagerplatz, Spuren von Schlitten und Skiern und die Abdrücke von Hundepfoten – »vieler Hundepfoten«, wie

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