Der Wettlauf zum Suedpol
Sommers zu einem kleinen Schneehügel zusammengeschmolzen. Zum Glück waren keine Vorräte verdorben, nur eine kleine Menge Pemmikan, die außerhalb der Vorratskisten lagerte, erwies sich als ungenießbar. Was für Scotts Männer einer Katastrophe gleichgekommen wäre, bereitete Amundsen keinerlei Kopfschmerzen. »Wir haben jetzt Lebensmittel für 35 Tage auf den Schlitten«, zog er erfreut Bilanz, nachdem das Umpacken der Vorräte abgeschlossen war. »Außerdem warten die Depots auf jedem Grad nordwärts. Wir leben nun wahrhaftig wie an den Fleischtöpfen Ägyptens. Jetzt heißt es nur noch, so viel wie möglich zu essen, um die Schlitten so schnellstens leichter zu bekommen.«
Scott erreicht den Pol
Ganz anders lagen die Dinge bei Scott und seinen Gefährten, die sich nach dem Abschied von der letzten Unterstützergruppe am 4. Januar weiter in Richtung Südpol vorarbeiteten. Zwar litten sie noch keinen wirklichen Hunger, doch allen war klar, dass sie äußerst diszipliniert haushalten mussten, wollten sie bis zum Pol und zurück gelangen. Größere Sicherheitsreserven gab es nicht. Zudem zeigte sich rasch, dass die Entscheidung, einen fünften Mann mitzunehmen, völlig unerwartete Folgen zeitigte. »Das Kochen für fünf Personen dauert viel länger als für vier; vielleicht eine halbe Stunde am Tag. Daran hatte ich bei der Neuordnung meiner Gesellschaft gar nicht gedacht«, notierte Scott am 5. Januar betreten. Längere Kochzeiten aber bedeuteten auch einen erhöhten Brennstoffbedarf – und das, wo der Brennstoff ohnehin schon knapp war.
Zu fünft in einem Vier-Mann-Zelt zu schlafen, war ebenfalls keine angenehme Sache. Die Schlafsäcke der beiden außen Liegenden befanden sich nicht mehr auf dem Bodentuch, sondern zum Teil auf dem blanken Schnee. Weil die Schlafsäcke wegen der Enge nun häufig die Zeltwände berührten, nahmen sie den Raureif auf, der sich dort bildete. Der Schlitten, erst wenige Tage zuvor um mehr als einen halben Meter verkürzt, war zu klein für die Ausrüstung von fünf Leuten. Er wurde kopflastig und drohte immer wieder umzukippen. Das größte Problem bestand jedoch darin, das schwer beladene Gefährt mit vier Leuten auf Skiern und einem Mann zu Fuß in gleichmäßigem Tempo durch den Schnee zu ziehen. Es funktionierte eigentlich nur, weil Bowers so tapfer die Zähne zusammenbiss und alle Strapazen klaglos ertrug aus lauter Dankbarkeit, mit zum Pol gehen zu dürfen. »Es ist eine ziemliche Plackerei mit dem gutbeladenen Schlitten, und es ermüdet mich mehr als die anderen, da ich keine Skier habe«, klagte er am ersten Tag der Fünferreise. »Solange ich den Tag über meinen Anteil beitragen und fit bleiben kann, macht mir das nichts aus, so oder so.«
Abb 154
Nach Verlassen ihres Drei-Grad-Depots quälen sich die verbliebenen Briten mit ihrem Schlitten weiter Richtung Südpol. Das Foto wurde von Bowers aufgenommen.
Auch Scott war jetzt sehr zuversichtlich. Der schwierigste Teil der Polarreise schien hinter ihm zu liegen. Er hatte dem als äußerst schlecht empfundenen Wetter auf der Barriere getrotzt, die Ausfälle der Motorschlitten überstanden und war, obwohl die Ponys schlappgemacht hatten, glücklich den Gletscher heraufgekommen. Sein Zeitplan war annähernd eingehalten worden, und auch die ganze verzwickte Organisationsarbeit mittels Tabellen, Rationen und Durchschnittswerten schien sich zumindest einigermaßen auszuzahlen. Er war jetzt mit Männern zusammen, denen er vertraute und die er in seinem Tagebuch in den höchsten Tönen lobte. Alle fünf – damit schloss er sich ganz unbescheiden selbst mit ein – seien »so glücklich gewählt, wie man es sich nur vorstellen kann«, schrieb er am 8. Januar. Wilson erfülle seine Pflichten als Arzt und lindere rasch alle Wehwehchen, außerdem sei er in den Zuggurten zäh wie Leder. Evans sei ein gewaltiges Arbeitstier, habe jedoch zudem Köpfchen und viele gute Ideen. Ebenfalls ertrage Oates alle Entbehrungen und marschiere so stramm wie alle anderen. Der kleine Bowers dagegen sei geradezu ein Wunder. »Ich überlasse ihm sämtliche Dinge, die mit dem Proviant zu tun haben …, er hat noch keinen einzigen Fehler gemacht. Zusätzlich zu den Vorräten kümmert er sich auch gründlich und gewissenhaft um die meteorologischen Aufzeichnungen, und dazu kommt jetzt noch die Pflicht des Navigators und Fotografen.« Am 9. Januar erreichte die Hochstimmung Scotts den Gipfelpunkt, als er seinen Tagebucheintrag
triumphierend mit einem
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