Der Widersacher
Herauszufinden, was mit diesen Leuten passiert ist, was sie auf diesen Weg gebracht hat. Wenn ich das herausbekomme, kann ich ihnen helfen. Und wenn ich ihnen helfe, leiste ich der Gesellschaft einen Dienst. Das begreifen die meisten Polizisten nicht. Aber Sie anscheinend schon – zumindest nach dem zu schließen, was Sie vorhin gesagt haben.«
Bosch nickte, hatte aber wegen dem, was er ihr verschwieg, ein schlechtes Gewissen. Sie durchschaute ihn sofort.
»Sie verschweigen mir doch was?«
Peinlich berührt, dass er ein so offenes Buch für sie war, schüttelte er resigniert den Kopf.
»Also schön, ich will Ihnen wegen heute nicht länger was vormachen.«
Ihr Blick verhärtete sich, so, als käme ihr der Verdacht, er hätte mit der Einladung zum Abendessen irgendwelche Hintergedanken verfolgt.
»Nein, es ist nicht, was Sie vielleicht denken. Ich habe Sie heute nicht belogen, ich habe Ihnen nur nicht die ganze Wahrheit über Pell gesagt. Sie wissen doch, dieser Fall, an dem ich arbeite? Mit Pells DNA am Opfer? Er liegt zweiundzwanzig Jahre zurück.«
Der Argwohn in ihrer Miene wich rasch Verständnislosigkeit.
»Ich weiß«, sagte Bosch. »Das widerspricht jeder Logik. Aber so ist es nun mal. Sein Blut wurde an der Leiche eines Mädchens gefunden, das vor zweiundzwanzig Jahren ermordet wurde.«
»Demnach wäre er damals acht Jahre alt gewesen. Das ist doch vollkommen unmöglich.«
»Ich weiß. Deshalb suchen wir nach der Stelle, wo jemand gepfuscht haben könnte – bei den Laboruntersuchungen zum Beispiel. Ich werde der Sache morgen weiter nachgehen, aber ich wollte mir unbedingt auch Pell mal ansehen. Bis Sie mir nämlich erzählt haben, dass er homosexuell ist, war er der perfekte Verdächtige – wenn er eine Zeitmaschine oder so was gehabt hätte.«
Der Kellner brachte ihr Essen und eine Tüte mit einem Behälter mit der Suppe. Bosch bat ihn sofort um die Rechnung, um zahlen und gehen zu können, sobald sie mit dem Essen fertig waren.
»Und was wollen Sie jetzt eigentlich von mir?«, fragte Stone, als sie wieder allein waren.
»Nichts. Wieso?«
»Erwarten Sie von mir, dass ich Ihnen für ein halbes Putensandwich vertrauliche Informationen gebe?«
Bosch konnte nicht sagen, ob sie das im Spaß meinte oder nicht.
»Nein, aber … wie soll ich sagen … Sie haben was … ich finde Sie sympathisch. Und ich habe mich ziemlich blöd benommen. Mehr nicht.«
Sie blieb eine Weile still, während sie aß. Er forcierte nichts. Seit er auf seinen Fall zu sprechen gekommen war, schien alles wie eingefroren.
»Etwas wäre da noch«, sagte sie schließlich. »Aber mehr darf ich Ihnen nicht sagen.«
»Sie brauchen nicht gegen irgendwelche Regeln zu verstoßen. Ich habe mir heute vom Bewährungsamt seine Akte geholt. Da steht der ganze psychologische Kram drin.«
Sie verzog mit vollem Mund das Gesicht.
»Sie meinen, die ganzen PSI s und Bewährungsevaluationen? Die kratzen doch nur an der Oberfläche.«
Bosch hob die Hand, um sie zu bremsen.
»Wirklich, Doc, es geht mir nicht darum, Sie dazu zu bringen, gegen Ihre Schweigepflicht zu verstoßen. Reden wir lieber über was anderes.«
»Nennen Sie mich bitte nicht Doc.«
»Sorry. Frau Doktor.«
»Nein, sagen Sie einfach Hannah zu mir.«
»Okay. Hannah. Lassen Sie uns über was anderes reden, Hannah.«
»Okay. Und über was?«
Bosch überlegte stumm, welches Thema er anschneiden könnte. Kurz darauf begannen beide zu lachen.
Aber sie kamen nicht mehr auf Clayton Pell zu sprechen.
[home]
11
E s war neun Uhr, als Bosch nach Hause kam. Er eilte den Flur hinunter und spähte durch die offene Tür ins Zimmer seiner Tochter. Sie war im Bett, unter der Decke, und hatte ihren Laptop neben sich liegen.
»Tut mir leid, Maddie. Ich mache nur noch schnell die Suppe warm und bringe sie dir dann.«
Er stand in der Tür und hielt die Tüte von Jerry’s Deli hoch.
»Schon gut, Dad. Ich habe bereits gegessen.«
»Und was?«
»Ein Erdnussbuttersandwich mit Marmelade.«
Bosch hatte wegen seines egoistischen Verhaltens ein furchtbar schlechtes Gewissen. Er betrat das Zimmer und setzte sich auf die Bettkante.
Aber Madeline ließ ihn gar nicht dazu kommen, sich weiter zu entschuldigen.
»Es ist
okay,
Dad. Du hast zwei neue Fälle bekommen und hattest viel zu tun.«
Er schüttelte den Kopf.
»Aber die letzte Stunde habe ich nur mit jemand gequatscht. Ich habe sie heute bei meinen Ermittlungen kennengelernt, und dann haben wir im Jerry’s noch ein Sandwich
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