Der Widersacher
keines war. Wie sich die Sache schließlich für mich dargestellt hat, haben er und sein Vater mich schamlos ausgenutzt, und das habe ich ihm auch in aller Deutlichkeit gesagt. Ich habe ihm die Freundschaft aufgekündigt, und das war das letzte Mal, dass wir was voneinander gehört haben.«
Bosch nickte. »Und das ist der Grund, weshalb Sie glauben, dass er Selbstmord begangen hat?«
Mason verzog verächtlich das Gesicht.
»Nein, sicher nicht. So, wie George mich für seine Zwecke eingespannt hat, war ich sicher nicht so wichtig für ihn. Ich glaube, er hat sich aus anderen Gründen umgebracht. Ich glaube, als Chad aufs College kam und zu Hause auszog, hat ihm das sehr zugesetzt … und vielleicht haben auch noch andere Dinge mit hereingespielt. Diese Familie hat ihre Geheimnisse, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Mason wusste nichts von McQuillen oder den Verletzungsspuren auf George Irvings Rücken. Bosch fand, dass er davon vorerst auch noch nichts zu erfahren brauchte.
»Na schön, Mason. Haben Sie sonst noch was für mich?«
Mason schüttelte den Kopf.
»Den Stadtrat haben Sie deswegen aber noch nicht zur Rede gestellt, oder?«
»Noch nicht.«
Bosch überlegte. »Gehen Sie morgen zur Beerdigung?«
»Das weiß ich noch nicht. Sie ist morgen Vormittag, oder?«
»Ja.«
»Wahrscheinlich mache ich es davon abhängig, wie mir morgen ist. Wir waren lang befreundet. Aber am Ende hat es dann Ärger gegeben.«
»Na ja, vielleicht sehe ich Sie dann ja morgen. Sie können jetzt gehen. Und danke, dass Sie mir das alles erzählt haben.«
»Okay.«
Mason stand auf und ging mit gesenktem Kopf zum Ausgang. Bosch sah ihm hinterher und dachte über die Wechselfälle von Beziehungen und Ermittlungen nach. Er war in der Erwartung hierhergekommen, einen korrupten Polizisten zu finden, der einen Schritt zu weit gegangen war. Stattdessen betrachtete er Mason inzwischen als ein weiteres Opfer Irvin Irvings.
Und ganz oben auf der Liste von Irvings Opfern stand dessen eigener Sohn. Vielleicht brauchte sich Mason gar keine Gedanken zu machen, wie er den Stadtrat am besten zur Rede stellen sollte. Vielleicht kam ihm Bosch zuvor.
[home]
25
B ei George Irvings Begräbnis am Dienstagmorgen herrschte großer Andrang. Aber Bosch hätte nicht sagen können, ob die Leute gekommen waren, um George Irving zu betrauern oder ihre Beziehungen zu seinem Vater, dem Stadtrat, zu festigen. Neben der Polizeiführung waren auch zahlreiche Lokalpolitiker anwesend. Sogar Stadtrat Irvings Kontrahent bei der anstehenden Wahl – der Mann, der keine Chance hatte – war unter den Trauergästen. Es war, als wäre in der Politik ein Waffenstillstand ausgerufen worden, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen.
Bosch stand am Rand der Trauergemeinde und beobachtete den Aufmarsch der politischen Prominenz, die Irvin Irving und den anderen Angehörigen des Toten ihr Beileid ausdrückte.
Es war das erste Mal, dass Bosch Chad Irving zu sehen bekam, die dritte Generation der Familie. Vom Aussehen her war er eindeutig mehr nach seiner Mutter geraten. Er stand mit gesenktem Kopf neben ihr und blickte kaum auf, wenn ihm jemand die Hand reichte oder ihn am Oberarm drückte. Er schien untröstlich, während seine Mutter, möglicherweise medikamentös stillgestellt, gefasst am Grab stand und keine Träne vergoss.
Bosch war so sehr damit beschäftigt, die Familie und die politischen Permutationen zu beobachten, dass ihm entging, wie sich Kiz Rider von der Seite des Polizeichefs stahl. Lautlos wie ein Attentäter tauchte sie links von Bosch auf.
»Harry?«
Bosch drehte sich zu ihr.
»Lieutenant Rider. Sie hier?«
»Ich bin mit dem Chief hergekommen.«
»Ja, das habe ich gesehen. Ein schwerer Fehler.«
»Wie das?«
»Weil ich im Moment keine Unterstützung für Irvin Irving signalisieren würde. Deshalb.«
»Hat sich seit unserem gestrigen Gespräch etwas Neues ergeben?«
»So könnte man es nennen, ja.«
Bosch schilderte ihr in kürzen Zügen den Inhalt seines Gesprächs mit Robert Mason und dessen unmissverständliche Andeutungen, dass Stadtrat Irving bei den Bemühungen, die Taxilizenz für Hollywood von B&W auf Regent zu übertragen, seine Hand im Spiel gehabt hatte und dass diese Bemühungen wahrscheinlich der Auslöser für George Irvings Tod gewesen waren.
»Wird Mason vor Gericht aussagen?«
Bosch zuckte mit den Achseln.
»Das habe ich ihn nicht gefragt, aber er weiß, was dabei für ihn auf dem Spiel steht. Er ist Polizist, und er
Weitere Kostenlose Bücher