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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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die Schreibunterlage. Chu hatte die Kontoauszüge und sonstigen Belege für George Irvings Kreditkarten erhalten. Bei gründlichen Ermittlungen in einem Todesfall war es ein Muss, alle Kreditkartenabrechnungen zu prüfen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse flossen in das Finanzprofil des Opfers ein.
    Der unterste Umschlag war der dünnste, und er kam aus dem Labor. Bosch fragte sich, zu welchem Fall er gehörte, als er ihn öffnete.
    Der Umschlag enthielt den Bericht über die Untersuchung von George Irvings Hemd. Die forensischen Analysen hatten ergeben, dass sich an der Schulter auf der Innenseite des marineblauen Hemds Spuren von Blut und Gewebe – konkreter: Haut – befanden. Die Stelle passte zur Lage der sichelförmigen Aufschürfungen, die bei der Obduktion an Irvings Schulter entdeckt worden waren.
    Bosch setzte sich an Chus Schreibtisch, studierte den Bericht und überlegte, was er besagte. Ihm wurde klar, dass er auf mindestens zwei Möglichkeiten hindeutete. Eine war, dass Irving das Hemd getragen hatte, als er stranguliert worden war, und dass ihm die Verletzungen an seiner Schulter beigebracht worden waren, als sich die Uhr des Würgers durch den Stoff des Hemds drückte. Die zweite war, dass ihm das Hemd angezogen worden war, als die Hautabschürfungen bereits bestanden, und die Blut- und Hautreste dabei auf den Stoff gelangt waren.
    Die zweite Möglichkeit hielt Bosch aus zwei Gründen für unwahrscheinlich. Der Knopf, den er auf dem Boden gefunden hatte, deutete darauf hin, dass es zu einem Kampf gekommen war, als Irving das Hemd noch trug. Und weil Irving nackt in den Tod gestürzt war, schien es sehr unwahrscheinlich, dass ihm das Hemd nach der Verletzung übergestreift und dann wieder ausgezogen worden war.
    Bosch tendierte zum ersten Szenario. Der Angreifer hatte Irving vermutlich von hinten überrumpelt und ihm den Arm um den Hals geschlungen. Daraufhin kam es zu einem Handgemenge, bei dem der Knopf von Irvings rechtem Hemdsärmel abgerissen wurde, und um Irvings Gegenwehr zu unterbinden, wendete der Angreifer den
hand creep
an. Irving wurden die Hautabschürfungen also trotz des Hemds beigebracht.
    Egal, wie er es drehte und wendete, Bosch gelangte jedes Mal zum selben Schluss. Alles deutete auf McQuillen hin. Es wurde Zeit, dem Ex-Cop auf den Zahn zu fühlen.
    Bosch ging zu seinem Schreibtisch und überlegte, wie sie dabei vorgehen sollten. Als das Beste erschien ihm, McQuillen nicht zu verhaften, sondern ihn, wenn möglich, dazu zu bewegen, freiwillig ins PAB mitzukommen und ihre Fragen zu beantworten. Wenn ihnen das nicht gelang, müssten sie die Handschellen auspacken und ihn festnehmen.
    McQuillen war ein ehemaliger Cop, und deshalb war bei seiner Festnahme äußerste Vorsicht angeraten. Fast alle Ex-Polizisten besaßen eine Schusswaffe und konnten damit umgehen. Bosch würde Chu bitten, in der ATF -Datenbank für Waffenbesitzer nachzusehen, aber er wusste, dass das Ergebnis dieser Suche nicht viel zu besagen hätte. Polizisten konfiszierten bei Einsätzen ständig Schusswaffen. Nicht alle wurden in der Asservatenkammer abgegeben. Aus den ATF -Daten wäre nur ersichtlich, welche Waffen McQuillen offiziell besaß.
    Aufgrund dieser Erwägungen beschloss Bosch, McQuillen auf keinen Fall in seinen eigenen vier Wänden aufzusuchen. Dort hätte er die Waffen, die er bekannter- und unbekanntermaßen besaß, zu griffbereit. Aus denselben Gründen war dafür auch sein Auto nicht geeignet.
    Mit der Garage und dem Büro von B&W war Bosch bereits vertraut. Das verschaffte ihm einen strategischen Vorteil. Außerdem war das der Ort, an dem McQuillen mit größter Wahrscheinlichkeit nicht bewaffnet war. An den zwielichtigen Rändern Hollywoods Taxi zu fahren war eine Sache, aber dort als Disponent Taxis zu dirigieren, war nicht so gefährlich.
    Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte, und auf dem Display stand LATIMES . Bosch war versucht, den Anruf auf den Anrufbeantworter gehen zu lassen, überlegte es sich dann aber doch anders.
    »Offen-Ungelöst.«
    »Könnte ich Detective Bosch sprechen?«
    »Am Apparat.«
    »Detective, hier spricht Emily Gomez-Gonzmart von der
Los Angeles Times
gleich gegenüber. Ich schreibe einen Artikel über die Ermittlungen zum Mord an George Irving und würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
    Bosch verschlug es die Sprache, und ihn überkam das starke Bedürfnis nach einer Zigarette. Er kannte die Reporterin. Weil sie bei ihren Recherchen unglaublich hartnäckig

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