Der Widersacher
Zeitungsreporter und Fernsehleute bei ihm oder in der Pressestelle anriefen.
»Geben Sie mir Ihre Durchwahl«, sagte er. »Bis spätestens fünf hören Sie von mir.«
Bosch hatte nicht die Absicht, sie anzurufen, aber trotzdem notierte er sich ihren Namen und ihre Nummer.
Sobald er aufgelegt hatte, rief er mit seinem Handy Kiz Rider an. Sie ging sofort ran, hörte sich aber an, als säße sie in einem Auto.
»Ja, Harry?«
»Bist du allein?«
»Ja.«
»Die
Times
weiß Bescheid. Sie müssen entweder vom Chief oder vom Stadtrat Informationen bekommen haben. Aber egal, von wem, wenn das zu früh rauskommt, kann ich einpacken.«
»Moment, Moment. Woher weißt du das?«
»Die Reporterin hat mich gerade angerufen. Sie weiß, dass wir es als Mord bearbeiten und einen Verdächtigen haben, der ein ehemaliger Cop ist. Sie hat alles gesteckt bekommen.«
»Wer ist die Reporterin?«
»Emily Gomez-Gonzmart. Ich hatte vorher noch nie mit ihr zu tun, habe aber von ihr gehört. Angeblich nennt man sie GoGo, weil sie nicht locker lässt, wenn sie an einer Story dran ist.«
»Tja, eine von unseren ist sie jedenfalls nicht.«
Damit meinte sie, dass GoGo nicht auf der Liste der Journalisten stand, denen der Polizeichef traute und mit denen er kooperierte. Und dass hieß, dass ihre Quelle Irvin Irving oder jemand aus dem Stab des Stadtrats war.
»Und sie wusste, dass du einen Verdächtigen hast?«, fragte Rider.
»So ist es. Bis auf seinen Namen weiß sie alles. Sie weiß auch, dass die Sache demnächst über die Bühne geht oder bereits gegangen ist.«
»Na ja, um einen dazu zu bringen, irgendwas zu bestätigen, tun Reporter oft so, als wüssten sie mehr, als sie tatsächlich wissen.«
»Sie wusste, dass wir einen Verdächtigen haben und dass es ein ehemaliger Cop ist, Kiz. Das war kein Bluff. Ich sag dir doch, sie weiß alles. Ihr da oben solltet euch lieber mal ans Telefon hängen und Irving gewaltig auf die Zehen steigen. Es geht um seinen Sohn, und er schadet den Ermittlungen. Aber warum? Bringt es ihm irgendwelche politischen Vorteile, wenn das jetzt herauskommt?«
»Nein, sicher nicht. Deshalb bin ich auch nicht sicher, ob wirklich er dahintersteckt. Und die andere Sache ist, ich war dabei, als ihn der Chief am Telefon auf den neuesten Stand gebracht hat. Er hat ihm nichts von dem Verdächtigen erzählt, weil ihm klar war, dass Irving bestimmt seinen Namen hätte wissen wollen. Deshalb hat er davon nichts erwähnt. Von den Aufschürfungen an der Schulter und von der Sache mit dem Würgegriff hat er ihm erzählt, aber dass es einen konkreten Verdächtigen gibt, hat er ihm nicht gesagt. Nur, dass wir der Sache weiter nachgehen.«
Darüber dachte Bosch eine Weile schweigend nach. Diese Geschichte fiel unter die Kategorie High Jingo, und er wusste, dass er außer Kiz Rider niemandem trauen durfte.
»Harry, ich bin im Auto. Ich würde Folgendes vorschlagen. Du gehst auf die Website der
Times.
Führst eine Suche mit dem Namen der Reporterin durch. Schaust, was du an früheren Meldungen findest. Und prüf nach, ob sie früher schon was geschrieben hat, das in irgendeiner Form mit Irving zusammenhängt. Vielleicht gibt es in seinem Stab jemanden, mit dem sie verbandelt ist, und vielleicht geht das aus früheren Meldungen hervor.«
Das war ein guter und cleverer Vorschlag.
»Okay, mache ich. Aber ich habe nicht mehr viel Zeit. Diese Sache setzt mich bei McQuillen unter enormen Zeitdruck. Sobald mein Partner hier ist, fahren wir los und schnappen ihn uns.«
»Bist du auch wirklich schon so weit?«
»Eine andere Wahl bleibt uns nicht. Um fünf ist die Meldung im Internet. Bis dahin müssen wir ihn uns kaufen.«
»Gib mir sofort Bescheid, wenn es so weit ist.«
»Okay.«
Bosch beendete das Gespräch und rief Chu an, der inzwischen im Chateau Marmont hätte fertig sein müssen.
»Wo bist du gerade?«
»Auf dem Weg in die Stadt zurück. Wir haben nichts gefunden, Harry.«
»Das macht nichts. Wir schnappen uns McQuillen heute noch.«
»Wenn du meinst.«
»Ja, das meine ich, und das werde ich auch machen. Bis gleich.«
Er drückte die Trenntaste und legte das Handy auf den Schreibtisch. Er trommelte mit den Fingern. Das Ganze ging ihm gewaltig gegen den Strich. Sein Vorgehen wurde ihm von außen aufgezwungen. Das war immer ärgerlich. Sicher, er wollte McQuillen hierherbringen und vernehmen. Aber bisher hatte er das Tempo selbst bestimmt. Und jetzt wurde es ihm diktiert. Er fühlte sich wie ein Tiger in einem
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