Der Widersacher
war, hatte man ihr den Spitznamen »GoGo« verpasst.
»Detective?«
»Ja, Entschuldigung, aber ich bin hier gerade ziemlich beschäftigt. Sie haben von einem Mord gesprochen. Wie kommen Sie darauf, dass es sich um Mordermittlungen handelt? Wir ermitteln wegen eines Todesfalls, das schon. Aber von einem Mord war nie die Rede. Als solchen haben wir es nicht eingestuft.«
Jetzt zögerte sie eine Weile, bevor sie antwortete.
»Also, mir liegen Informationen vor, dass es sich um Mordermittlungen handelt und dass es einen Verdächtigen gibt, der bald verhaftet wird, falls dies nicht sowieso schon geschehen ist. Dieser Verdächtige ist ein ehemaliger Polizist, der sowohl mit Stadtrat Irving als auch mit seinem Sohn ein Hühnchen zu rupfen hatte. Deshalb rufe ich Sie an, Detective. Können Sie das bestätigen, und haben Sie in diesem Fall bereits eine Festnahme vorgenommen?«
Bosch war schockiert über den Umfang ihrer Informationen.
»Also, bestätigen werde ich Ihnen gar nichts. Eine Festnahme ist nicht erfolgt, und ich weiß auch nicht, woher Sie Ihre Informationen haben, aber sie sind nicht zutreffend.«
Jetzt veränderte sich ihr Tonfall. Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern und bekam einen vertraulichen Unterton, der zu besagen schien:
Machen Sie mir doch nichts vor.
»Detective, Sie wissen so gut wie ich, dass meine Informationen richtig sind. Wir werden die Meldung bringen, und ich hätte gern einen Kommentar von Ihnen. Immerhin sind Sie der leitende Ermittler. Wenn Sie allerdings nicht mit mir reden wollen oder können, dann verzichte ich eben auf Sie und werde lediglich vermerken, dass Sie keinen Kommentar dazu abgeben wollten.«
In Boschs Kopf begann es zu arbeiten. Er wusste, wie das lief. Die Meldung erschiene am nächsten Morgen in der Zeitung, würde aber auf der Website der Zeitung schon lange vorher veröffentlicht. Und wenn sie einmal ins digitale Universum gelangt war, würde sie von jedem Auftragsplanungsredakteur jedes Rundfunk- und Fernsehsenders der Stadt gelesen. Keine Stunde nach der Publikation auf der
Times
-Website würde die Meldung in allen Medien kursieren. Und egal, ob McQuillen darin namentlich erwähnt würde oder nicht, wäre ihm sofort klar, dass Bosch ihn im Visier hatte.
So weit durfte es auf keinen Fall kommen. Bosch wollte sich von den Medien nicht zur Eile drängen oder in sonst irgendeiner Weise bei seinem Vorgehen beeinflussen lassen. Er merkte, dass er einen Kompromiss finden musste.
»Wer ist Ihre Quelle?«, fragte er, nur um etwas Zeit zu gewinnen. Er musste sich etwas einfallen lassen.
Wie nicht anders erwartet, lachte GoGo nur.
»Kommen Sie, Detective. Sie wissen ganz genau, dass ich meine Quellen nicht nennen darf. Wenn Sie eine namentlich nicht genannte Quelle werden möchten, würde ich Ihnen denselben hundertprozentigen Schutz zusichern. Eher ginge ich ins Gefängnis, als eine meiner Quellen zu verraten. Aber noch lieber würde ich Sie natürlich offiziell zitieren.«
Bosch reckte den Kopf und schaute aus seinem Abteil. Der Bereitschaftsraum war fast leer. Nur Tim Marcia saß an seinem Schreibtisch nicht weit von Duvalls Büro. Dessen Tür war wie üblich geschlossen, und es ließ sich nicht sagen, ob Lieutenant Duvall da war oder in einer Besprechung.
»Ich hätte nichts dagegen, von Ihnen zitiert zu werden«, sagte er. »Aber Sie wissen ja, zu einem Fall wie diesem, mit den ganzen politischen Verwicklungen und so, darf ich mich ohne Genehmigung nicht offiziell äußern. Das könnte mich sonst meinen Job kosten. Sie werden sich also gedulden müssen, bis ich die eingeholt habe.«
Er hoffte, sich mit dem Hinweis auf seinen auf dem Spiel stehenden Job etwas Sympathien zu erringen. Niemand wollte schuld sein, dass jemand seine Arbeit verliert. Nicht einmal eine eiskalte, berechnende Reporterin.
»Das hört sich sehr nach einem Hinhaltemanöver an, Detective Bosch. Egal, ob Sie mitmachen oder nicht, mein Artikel steht, und ich reiche ihn heute weiter.«
»Na schön, wie viel Zeit können Sie mir geben? Ich würde mich dann wieder bei Ihnen melden.«
Daraufhin trat Stille ein, und Bosch glaubte, sie auf einer Computertastatur tippen zu hören.
»Redaktionsschluss ist um fünf. Bis dahin müsste ich von Ihnen hören.«
Bosch sah auf die Uhr. Sie ließ ihm nur drei Stunden. Aber er glaubte, das müsste genügen, um sich McQuillen zu schnappen. Sobald er einmal in Haft war, spielte es keine Rolle mehr, was im Internet kursierte oder wie viele
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