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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Augen.
    Triaden treiben Schutzgelder bei Chinesen ein
    Bosch öffnete den dazugehörigen Artikel. Er ging um die alte Besitzerin einer Apotheke in Chinatown, die über dreißig Jahre lang monatliche Schutzgeldzahlungen an einen Triadenboss geleistet hatte. Der Artikel beleuchtete auch die kulturgeschichtlichen Hintergründe, aufgrund derer kleine Geschäfteinhaber nach wie vor an der uralten, aus Hongkong übernommenen Tradition festhielten, an die chinesischen Verbrechersyndikate der Triaden Schutzgeld zu zahlen. Auslöser für das Feature war ein damals gerade verübter Mord an einem Hausbesitzer aus Chinatown gewesen, der, wie allgemein vermutet wurde, auf das Konto der Triaden ging.
    Bosch zuckte innerlich zusammen, als er zum neunten Abschnitt des Absatzes kam.
    »Die Triaden sitzen in L.A. weiterhin fest im Sattel«, sagte Detective David Chu von der Asian Gang Unit des LAPD . »Sie beuten die Menschen hier genauso aus, wie sie das in Hongkong schon seit dreihundert Jahren tun.«
    Bosch ließ den Blick lange auf der Passage ruhen. Chu war vor zwei Jahren zur Einheit Offen-Ungelöst versetzt und Bosch als Partner zugeteilt worden. Davor war er bei der AGU gewesen, wo sich seine und Emily Gomez-Gonzmarts Wege gekreuzt hatten, und allem Anschein nach hielt er sich die Reporterin weiterhin warm.
    Bosch schaltete den Monitor aus und drehte sich in seinem Sitz. Von Chu immer noch keine Spur. Er rollte auf die Seite seines Partners hinüber und klappte den Laptop auf, den Chu auf seinem Schreibtisch gelassen hatte. Der Bildschirm erwachte zum Leben, und Bosch klickte auf das E-Mail-Icon. Er vergewisserte sich ein zweites Mal, dass Chu noch nicht im Bereitschaftsraum war. Dann klickte er auf
Neue E-Mail
und gab GoGo in das Adressfeld ein.
    Es passierte nichts. Er löschte den Namen und tippte Emily. Die Funktion, die schon einmal verwendete E-Mail-Adressen automatisch ergänzte, wurde aktiviert und schlug
[email protected]
vor.
    In Bosch begann es zu brodeln. Er schaute sich wieder um, dann ging er auf
Gesendete Objekte
und suchte nach Mails an emilygg. Davon gab es einige. Bosch begann, sie der Reihe nach zu lesen, und merkte rasch, dass sie unverfänglich waren. Chu nutzte E-Mails nur, um Termine für Treffen mit der Journalistin zu vereinbaren. Sie fanden oft in der
Times
-Cafeteria auf der anderen Straßenseite statt. Der E-Mailverkehr ließ keine Rückschlüsse auf Chus Verhältnis zu der Reporterin zu.
    Bosch schloss die Mail-Fenster und klappte den Laptop zu. Er hatte genug gesehen. Er wusste genug. Er rollte an seinen Schreibtisch zurück und überlegte, was er machen sollte. Sein Partner hatte die Ermittlungen beeinträchtigt. Das konnte sogar Auswirkungen auf das Gerichtsverfahren haben, falls es zu einem Prozess gegen McQuillen kam. Wenn ein Verteidiger von Chus Missgriff erfuhr, konnte er seine Glaubwürdigkeit als Ermittler und damit auch die des ganzen Ermittlungsverfahrens in Frage stellen.
    Aber das war nur ein Teil dessen, was Chu angerichtet hatte. Noch viel gravierender war der irreparable Schaden, den ihre Partnerschaft gerade erlitten hatte. Für Bosch war ihre Beziehung damit beendet.
    »Und, Harry? Ich wär dann so weit.«
    Bosch drehte sich auf seinem Stuhl. Chu war gerade in das Abteil gekommen.
    »Ich auch«, sagte Bosch.

[home]
    27
    E ine Taxizentrale ähnelt in vielem einer Polizeiwache. Sie dient als Knotenpunkt für die Betankung, Wartung und Zuteilung von Fahrzeugen, die ununterbrochen in einem fest umgrenzten Revier unterwegs sind. Und sie ist natürlich auch der Ort, an dem diese Fahrzeuge mit denen bemannt werden, die sie fahren. Die Fahrzeuge sind immer im Einsatz. So lange, bis sie ein mechanisches Versagen aus dem Verkehr zieht. Dies alles schlägt sich in einem vorhersehbaren Rhythmus nieder. Autos rein, Autos raus. Fahrer rein, Fahrer raus. Mechaniker rein und Mechaniker raus. Disponenten rein und Disponenten raus.
    Bosch und Chu standen mit ihrem Auto in der Gower Street und beobachteten fast eine Stunde lang den Eingang von Black&White Taxi, bis sie einen Mann, den sie für Mark McQuillen hielten, am Straßenrand parken und durch das offene Tor der Garage gehen sahen. Er sah anders aus, als Bosch erwartet hatte. In seiner Vorstellung hatte Bosch immer noch den McQuillen vor Augen, den er fünfundzwanzig Jahre zuvor gekannt hatte. Den McQuillen, der als Sündenbock hatte herhalten müssen. Den achtundzwanzigjährigen Macho mit dem militärischen Bürstenhaarschnitt und einem

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