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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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roch nach einem starken Rasierwasser. Aber er hatte sich verändert. Schon jetzt konnte Blaine eine gewisse ledrige Trockenheit in der einstmals geschmeidigen Haut erkennen, gewisse Hautrisse um Nase, Augen und Mund herum, winzige Falten auf der Stirn, wie Werkzeugspuren auf altem Leder. Und trotz des starken Aftershave meinte Blaine den ersten Hauch von Verwesung wahrzunehmen.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte Blaine.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Das kann ich nicht«, beteuerte Smith.
    »Wollen Sie mich umbringen?«, fragte Blaine und sein Hals war trocken.
    »Ich weiß es nicht! Ich kann mich nicht erinnern! Sie umbringen, Sie beschützen, Sie verstümmeln, Sie lieben – ich weiß es noch nicht. Aber ich werde mich bald daran erinnern, Blaine, ich verspreche es Ihnen!«
    »Lassen Sie mich in Frieden«, sagte Blaine und seine Muskeln verkrampften sich.

    »Das kann ich nicht«, sagte Smith. »Verstehen Sie das denn nicht? Ich kenne nichts außer Ihnen. Wortwörtlich nichts! Ich kenne weder diese Welt noch irgendjemanden hier, keine Person, kein Gesicht, weder Geist noch Gedächtnis. Sie sind meine einzige Orientierungshilfe, der Mittelpunkt meiner Existenz, mein einziger Grund, zu leben.«
    »Hören Sie auf damit!« »Aber es stimmt doch! Glauben Sie, dass es mir Spaß macht, diesen Sack aus Fleisch und Knochen durch die Straßen zu schleppen? Was hat das Leben denn für einen Wert für mich, wenn ich keine Hoffnung vor mir und keine Erinnerungen hinter mir habe? Da ist doch der Tod noch besser! Das Leben bedeutet widerliches, verwesendes Fleisch, der Tod bedeutet einen reinen Geist! Ich habe darüber nachgedacht, davon geträumt: Schöner körperloser Tod! Aber eine Sache hält mich davon ab. Ich habe Sie, Blaine, um mich in Gang zu halten!«
    »Gehen Sie weg«, sagte Blaine mit einem bitteren ekligen Geschmack im Mund.
    »Sie, meine Sonne und mein Mond, meine Sterne, meine Erde, mein ganzes Weltall, mein Leben, mein Sinn, mein Freund, Feind, Geliebter, Mörder, meine Frau, mein Vater, mein Kind, mein Mann …«
    Blaines Faust schoss vor und traf Smith oben am Backenknochen. Der Zombie wurde an die Wand der Nische geworfen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber auf seinem bleifarbenen Wangenknochen erschien ein großer purpurner Bluterguss.
    »Ihr Zeichen!«, murmelte Smith.
    Blaines Faust, die sich zu einem weiteren Schlag gehoben hatte, fiel herab.
    Smith stand auf. »Ich gehe. Passen Sie auf sich auf, Blaine. Sterben Sie jetzt noch nicht! Ich brauche Sie. Bald werde ich mich erinnern, dann komme ich zu Ihnen.«

    Smith verließ die Bar. Sein trübes, schlaffes, verletztes Gesicht war ausdruckslos.
    Blaine bestellte einen doppelten Whisky und saß lange Zeit davor, er versuchte, seine zitternden Hände zu beruhigen.

17
    Eine Stunde vor Sonnenaufgang kam Blaine in einem Überland-Jetbus vor dem Anwesen von Hull an. Er trug die traditionelle Jägeruniform – Khakihemd und -hose, Schuhe mit Gummisohlen und einen Hut mit breiter Krempe. Über eine Schulter hatte er den Ranzen geworfen; über der anderen trug er in einem Plastiksack das Seitengewehr.
    Am Außentor nahm ihn ein Diener in Empfang und führte ihn zu dem niedrigen, weiträumigen Landhaus. Blaine erfuhr, dass das Hullsche Anwesen aus neunzig Morgen Wald in den Adirondack-Bergen zwischen Keene und Elizabethtown bestand. Hier hatte, so erzählte ihm der Diener, Hulls Vater im Alter von einundfünfzig Jahren Selbstmord begangen und sechs Jäger mit in den Tod genommen, bis ihm schließlich ein Mann mit seinem Säbel den Kopf abgeschlagen hatte. Ein ruhmreicher Tod! Hulls Onkel wiederum hatte sich dazu entschlossen, in San Francisco Amok zu laufen, in einer Stadt, die er immer sehr gemocht hatte. Die Polizei hatte ihn zwölfmal anstrahlen müssen, bis er schließlich zusammengebrochen war; er hatte sieben Passanten getötet. Die Zeitungen hatten ausführlich über diese Tat berichtet und die Berichte wurden in der Familienchronik aufbewahrt.
    Das zeigte eben, meinte der geschwätzige Diener, wie unterschiedlich doch Temperamente sein konnten. Manche,
wie etwa der Onkel, waren freundliche, das Vergnügen schätzende Männer, die gerne in einer Menge sterben und dabei auch noch ein wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollten. Andere, wie der gegenwärtige Mr. Hull, liebten mehr die Einsamkeit und die Natur.
    Blaine nickte freundlich, als ihm dies erzählt wurde, und wurde in einen großen rustikalen Raum

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