Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
Vom Netzwerk:
dem Fenster und hing trübselig seinen Gedanken nach.
    Die letzte Nacht hatte unwiderlegbar unter Beweis gestellt, dass Kranch immer noch der Herrscher über den
Kranch-Blaine-Geist-Körper war. Denn letzte Nacht war er ganz und gar nicht er selbst gewesen. Er war wild, gewalttätig, grob, wütend und exaltiert gewesen. Er war all die Dinge gewesen, die er immer verabscheut hatte, er hatte mit einer Unbeherrschtheit gehandelt, die an Wahnsinn gegrenzt haben musste.
    Das war nicht Blaine. Das war Kranch, der Körper hatte triumphiert.
    Blaine hatte immer Zurückhaltung, Subtilität und den Sinn für Nuancen geschätzt. Vielleicht zu sehr. Aber das waren jedenfalls seine Vorlieben gewesen, der Ausdruck seiner ganz eigenen Persönlichkeit. Mit ihnen zusammen war er Thomas Blaine. Ohne sie war er weniger als nichts – ein Schatten, der von dem stets obsiegenden Kranch geworfen wurde.
    Missmutig dachte er an die Zukunft. Er würde den Kampf aufgeben, tun, was sein Körper verlangte; ein Kämpfer werden, ein Raufbold, ein triebbesessener Vagabund. Vielleicht würde er sich mit der Zeit daran gewöhnen, es vielleicht sogar genießen …
    »Frühstück ist fertig«, rief Alice.
    Schweigend aßen sie vor sich hin und Alice betastete vorsichtig und bedrückt eine Schramme an ihrem Unterarm. Schließlich hielt Blaine es nicht länger aus.
    »Hören Sie«, sagte er, »es tut mir leid.«
    »Was?«
    »Alles.«
    Sie lächelte verhalten. »Das ist schon in Ordnung. Ist ja eigentlich meine Schuld.«
    »Das bezweifle ich. Kann ich bitte mal die Butter haben?«, sagte Blaine.
    Sie reichte ihm die Butter. Schweigend aßen sie eine Weile. Dann sagte Alice: »Ich bin sehr, sehr dumm gewesen.«

    »Wieso?«
    »Ich bin wohl einem Traum nachgejagt«, sagte sie. »Ich habe mir eingebildet, dass ich Frank wiederfinden könnte. Eigentlich bin ich nicht so, Mr. Blaine. Aber ich dachte, es würde sein wie mit Frank.«
    »Und war es das nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, überhaupt nicht.«
    Blaine stellte vorsichtig seine Kaffeetasse ab. Er sagte: »Ich nehme an, dass Kranch gröber war. Ich schätze, er hat Sie nicht geschont. Ich vermute …«
    »O nein!«, rief sie. »Im Gegenteil! Frank war zwar Jäger, Mr. Blaine, und führte ein hartes Leben. Aber bei mir war er immer ein vollkommener Gentleman. Er hatte Manieren, das hatte Frank.«
    »Wirklich?«
    »Und ob! Frank war immer zärtlich zu mir, Mr. Blaine. Er war – zurückhaltend, falls Sie wissen, was ich meine. Nett. Sanft. Er war niemals, niemals grob. Um die Wahrheit zu sagen, er war das genaue Gegenteil von Ihnen, Mr. Blaine.«
    »Ach ja«, meinte Blaine.
    »Nicht, dass ich etwas an Ihnen auszusetzen hätte«, fügte sie mit hastiger Freundlichkeit hinzu. »Sie sind ja schon ein bisschen rau, aber solche Leute muss es ja wohl auch geben.«
    »Tja, das glaube ich auch«, brummte Blaine. »Das glaube ich ganz bestimmt.«
    In peinlichem Schweigen beendeten sie ihr Frühstück. Alice, von ihrer Qual befreit, ging sofort danach weg, ohne auch nur anzudeuten, dass sie sich einmal wiedersehen könnten. Blaine saß in seinem großen Sessel, starrte aus dem Fenster und dachte nach.
    Er war also nicht wie Kranch!
    Die bittere Wahrheit, sagte er sich, war, dass er sich verhalten hatte, wie er sich Kranch unter ähnlichen Umständen
vorgestellt hatte. Es war die reine Auto-Suggestion gewesen. Auf hysterische Weise hatte er sich eingeredet, dass ein starker, aktiver, herzhafter Naturbursche eine Frau notwendigerweise anpacken musste wie ein Stemmeisen.
    Er hatte gedankenlos und voller Vorurteile gehandelt. Er wäre sich noch viel dümmer vorgekommen, wenn er nicht so erleichtert gewesen wäre, seine bedrohte Blainehaftigkeit wiedergewonnen zu haben.
    Er zog eine Grimasse, als er an Alices Beschreibung von Marie dachte: dürr, hart wie Stein, kalt wie ein Fisch. Noch mehr Vorurteile!
    Aber wenn er die Umstände bedachte, konnte er es Alice wohl kaum verübeln.

24
    Ein paar Tage darauf erhielt Blaine die Mitteilung, dass bei der Geistvermittlung eine Nachricht auf ihn warte. Er fuhr nach der Arbeit dorthin und wurde in dieselbe Kabine geschickt, die er schon beim ersten Mal benutzt hatte.
    Melhills verstärkte Stimme sagte: »Hallo Tom!«
    »Hallo Ray! Hab mich schon gewundert, wo du abgeblieben bist.«
    »Ich bin immer noch auf der Schwelle«, erzählte Melhill. »Aber nicht mehr lange. Ich muss los und nachsehen, wie es im Jenseits ist. Es zieht mich an. Aber ich wollte mal wieder mit dir

Weitere Kostenlose Bücher