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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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der Hose ab. Er lächelte schwach und sagte: »Gehen wir ins Lager zurück und sehen wir nach, was dieser verdammte Dengue vorhat.«
    Sie gingen zurück. Als sich Lerner umsah, leuchtete der Berg ohne Namen flammend rot.

    Auch der Planet selbst hatte keinen Namen. Seine wenigen Bewohner nannten ihn Umgcha oder Ongja, aber das hatte nichts zu bedeuten. Der Planet würde keinen amtlichen Namen besitzen, bis die Werbeabteilung der Transterran Steel sich etwas Romantisch-Angenehmes für mehrere Millionen potenzieller Siedler von den überbevölkerten inneren
Planeten ausgedacht hatte. Inzwischen bezeichnete man ihn einfach als »Auftrag 35«. Mehrere Tausend Mann und Maschinen befanden sich auf dem Planeten; auf Morrisons Befehl hin würden sie Berge sprengen, Ebenen schaffen, ganze Wälder versetzen, Flüsse umleiten, Eiskappen schmelzen, Kontinente formen, neue Meere ausheben, kurz, alles tun, um Auftrag 35 zu einer passenden Heimstatt für die einmalige und anspruchsvolle, technisch hoch entwickelte Zivilisation des Homo sapiens zu machen.
    Dutzende von Planeten waren nach terranischem Maßstab schon umgemodelt worden. Auftrag 35 hätte keine ungewöhnlichen Probleme verursachen dürfen. Es gab weite Wiesen, dichte Wälder, warme Meere und sanft geschwungene Hügel. Aber irgendetwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung. Unfälle ereigneten sich mit einer Häufigkeit, die allen Wahrscheinlichkeitsberechnungen spottete, und ein Lager mit nervös gewordenen Arbeitern erzeugte wie bei einer Kettenreaktion immer neues Unheil. Jeder trug dazu bei. Es gab Raufereien zwischen Bulldozer- und Sprengstoffleuten. Ein Koch bekam vor einem riesigen Topf voll Kartoffelbrei einen hysterischen Anfall und der Spaniel des Buchhalters biss den Buchhalter ins Bein. Kleine Dinge führten zu großen. Und dabei hatte die Arbeit – einfache Arbeit auf einem unkomplizierten Planeten – gerade erst begonnen.

    Im Zelt des Hauptquartiers war Dengue inzwischen wach geworden. Er beäugte kritisch sein Whiskyglas.
    »Na?«, sagte er. »Wie läuft die Arbeit?«
    »Gut«, erwiderte Morrison.
    »Freut mich«, erklärte Dengue mit Nachdruck. »Ich sehe euch gern zu beim Arbeiten. Tüchtigkeit. Können. Erfahrung.«

    Morrison hatte weder über den Mann noch über seine Zunge Gewalt. Die Vorschriften der Regierung sahen vor, dass bei allen Projekten Beobachter von anderen Firmen anwesend sein durften. Damit sollte erreicht werden, dass jeder von jedem lernte. Aber in der Praxis hielt der Beobachter nicht Ausschau nach neuen Methoden, sondern nach verborgenen Schwächen, die seiner eigenen Firma von Nutzen sein konnten. Und wenn es ihm gelang, den Konstruktionschef durch sein Gerede nervös zu machen, umso besser. Dengue war Fachmann darin.
    »Und was kommt als Nächstes?«, fragte Dengue.
    »Wir tragen einen Berg ab«, sagte Lerner.
    »Gut!«, rief Dengue und setzte sich auf. »Den großen? Ausgezeichnet.« Er lehnte sich zurück und starrte träumerisch an die Decke. »Dieser Berg stand schon, als der Mensch im Dreck nach Insekten wühlte und vom Säbelzahntiger verschmähtes Aas verschlang. Mein Gott, er ist sogar noch wesentlich älter!« Dengue lachte zufrieden und schlürfte seinen Whisky. »Dieser Berg überragte das Meer, als der Mensch noch eine Qualle war, die sich zwischen Land und Wasser entscheiden musste.«
    »Okay«, sagte Morrison, »das reicht jetzt wohl.«
    Dengue sah ihn abschätzend an. »Aber ich bin stolz auf Sie, Morrison, ich bin auf uns alle stolz. Wir haben seit dieser Zeit allerhand erreicht. Was die Natur in Jahrmillionen errichtete, tragen wir an einem einzigen Tag ab. Wir können diesen lächerlichen Berg auseinanderreißen und ihn durch eine Beton-Stahl-Stadt ersetzen, die garantiert ein Jahrhundert überdauert!«
    »Halten Sie den Mund«, sagte Morrison und ging auf Dengue zu. Lerner legte ihm mahnend die Hand auf die Schulter – wenn man seinen Posten los sein wollte, brauchte man nur einen Beobachter niederzuschlagen.

    Dengue leerte sein Glas und skandierte mit sonorer Stimme: »Tritt beiseite, Mutter Natur! Zittert, ihr tief verwurzelten Felsen und Berge, flüstert angstvoll, ihr unsterblichen Meere, bis in die schwärzesten Tiefen hinab, wo furchtbare Ungeheuer in ewigem Schweigen dahinziehen. Denn der große Morrison kommt, das Meer zu leeren und friedliche Teiche damit zu füllen, die Hügel einzuebnen und Schnellstraßen mit zwölf Fahrbahnen auf ihnen zu bauen, komplett mit Rasthäusern statt Bäumen,

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