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Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)

Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)

Titel: Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rod Rees
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Frühling des Jahres 1005
    Die VorWissenschaft stellt den unwiderstehlichen zyklischen Werdegang der Geschichte dar; sie beschreibt, wie sich Ereignisse mit der Kraft und Berechenbarkeit von ABBA-inspirierten Lawinen durch die Zeit wälzen. Diese werden von großen, spannungsreichen Ereignissen der Geschichte ausgelöst: von Kriegen, Entdeckungen der Wissenschaft und Massenbewegungen. Es sind die »Makro«-Ereignisse der Geschichte. Als solche sind sie unabänderlich und folgen den Grundsätzen des Determinismus … des Makro -Determinismus, also der Philosophie, die die VorWissenschaft untermauert. Hier gibt es keinen Hinweis auf einen freien Willen. Eine temporale Lawine ist makro-deterministisch, weil sie in ihrem eigenen Momentum und ihrer eigenen historischen Zwangsläufigkeit gefangen ist.
    Nikolai Kondratjew: Einführung in die VorWissenschaft für Laien, Veröffentlichungen des Instituts für Zukünftige Geschichte
    Nach der bescheidenen Meinung von Docteur Nikolai Dmitrijewitsch Kondratjew hatte der Künstler, der für die Ausstattung des Vorzimmers im Palast der Dogaressa verantwortlich war, eine allzu große Phantasie gehabt oder aber irgendein zweifellos verbotenes Kraut geraucht. Die Mischung aus schwülstigen Engeln, Cheruben – nun ja, Kondratjew vermutete, dass es Cheruben waren; seine Kenntnisse der Angelologie waren ein wenig beschränkt – und ABBA s, die sich über Wände und Decke des riesigen Raumes ergoss, war starker Tobak.
    Doch das, so vermutete er, war durchaus beabsichtigt. Das Ausmaß des Zimmers, der Überfluss an Möbeln und die verkorksten Fresken dienten nur einem Zweck: die Bittsteller der Dogaressa in einen Zustand ehrfürchtiger Demut zu versetzen.
    Kondratjew kam sich durchaus gedemütigt vor, doch hätte man ihn gefragt, hätte er zugegeben – Kondratjew war ein auf naive Art grundehrlicher Mensch –, dass die Gesichter der ABBA -Porträts eher pupsig als pompös wirkten und die Nacktheit der weiblichen Engel ein bisschen übertrieben war. Er nahm sich einen Augenblick Zeit, um seine feine Nickelbrille zu putzen, setzte sie dann wieder auf die lange Nase und studierte aufmerksam zwei nackte Engel auf einem Krug. Sie kämpften mit einem weiblichen Grigori, der mit beeindruckenden Brüsten gesegnet war – falls Grigori überhaupt gesegnet sein können.
    Als er seine Nase dem Krug näherte, nahm er den Gestank von Knoblauch wahr. Offensichtlich eine Waffe gegen Grigori, die auf das Zeug angeblich allergisch reagierten. Seit er ins Quartier Chaud gekommen war, hatte Kondratjew darüber gestaunt, wie besessen seine Bewohner von Vampiren waren. Wohin er auch kam, überall hingen Girlanden aus Knoblauch, Weißdorn und wilden Rosen an den Eingängen zum Schutz vor den Viechern. Auf den Treppenstufen vor den Häusern hatte man Samenkörner verstreut, und so gut wie jeder Bewohner trug irgendein silbernes Amulett. Die Bewohner des Quartier schienen von den verfluchten Grigori geradezu besessen zu sein. Sehr merkwürdig.
    Gerade als sich Kondratjew vorbeugte und die teuflischen Brüste einer näheren Untersuchung unterziehen wollte, um herauszufinden, wie die stereoskopische Wirkung erzielt worden war, trat der Kammerdiener der Dogaressa auf den Plan. »Docteur Kondratjew? Ihre Exzellenz, die Dogaressa Catherine-Sophia lässt bitten«, verkündete er und rümpfte die Nase. Offensichtlich fand er Kondratjews Interesse an der weiblichen Anatomie selbst für einen ImPuritaner übertrieben. Kondratjew stellte den Krug wieder in seine Nische und trottete pflichtbewusst hinter dem Diener her, zu einem der weniger formellen Empfangsräume des Palastes, wie er vermutete. Das traf zwar zu, dennoch war er so gewaltig und dermaßen dekoriert, dass er noch bombastischer wirkte als das Vorzimmer. Er war eine visuelle Kakophonie aus Creme und Gold, und die Anzahl an nackten Titten und Ärschen war, gelinde gesagt, überwältigend.
    Die Dogaressa saß auf einer Couch in der Mitte des Raumes. Es dauerte einen Moment, bis Kondratjew sie entdeckte. Der Raum war voller Schatten, und da sie ihre übliche Trauerkleidung trug, wirkte sie eher camoufliert als herausgeputzt. Trotz ihres Bemühens, mit dem Hintergrund zu verschmelzen, konnte Kondratjew erkennen, dass die Dogaressa extrem gut aussah. Für eine Frau in den Fünfzigern – wie weit in den Fünfzigern blieb ein Staatsgeheimnis – war sie sehr attraktiv, allerdings auf eine extreme Art.
    Extrem.
    O ja, extrem war ein vorzügliches Adjektiv, um die

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