Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
Dogaressa Catherine-Sophia zu beschreiben, fand Kondratjew. Sie war extrem klug und hatte einen extremen Appetit auf die Freuden des Fleisches ebenso wie auf politische Intrigen, was sie zu einer extrem befähigten Dogaressa machte. Er berichtigte sich: gemacht hatte. Seit ihr letzter Derzeitiger, Grigori Alexandrowitsch Potemkin, vor zwei Jahren verschieden war, hatte leider Gottes so etwas wie ein AufLösungsprozess eingesetzt. Die halb geleerte Flasche auf dem Tisch neben ihr war ein stummer Zeuge dafür, wie sie den schmerzlichen Verlust zu bewältigen versuchte.
Die Dogaressa richtete sich auf und bemühte sich, etwas gerader zu sitzen. Es war ein merkwürdiges Manöver, da sie betrunken war und das Dekolleté ihres Mieders extrem … nun ja, extrem war.
»Docteur Nikolai Dmitrijewitsch Kondratjew«, verkündete der Kammerdiener mit lauter Stimme. »Leiter der VorWissenschaftlichen Abteilung an der Universität von Venedig und Präsident des Instituts für Zukünftige Geschichte.«
Die Dogaressa würdigte Kondratjews Verbeugung mit einer flattrigen Geste und sagte, an ihren Kammerdiener gerichtet: »Du kannst uns jetzt allein lassen, isch ’abe was Vertrauliches mit unserem guten Docteur zu besprechen.«
Kondratjew hätte um ein Haar gelacht, doch der Akzent der Dogaressa war Gegenstand unzähliger Witze im Sektor. Sie hatte ihn während ihrer rastlosen Jugend entwickelt, als ihr Vater gezwungen war, ständig in der Demi-Monde unterwegs zu sein, um seinen Gläubigern aus dem Weg zu gehen. Die Dogaressa beherrschte daher alle Sprachen der Demi-Monde fließend, hatte sich aber in jeder einen schrecklichen Akzent angewöhnt, selbst in ihrer Muttersprache Anglo.
»Aber Exzellenz«, protestierte der Kammerdiener leise.
»Oh, keine Bange, Chamberlain, ich ’abe einen sähr wirksamen Schutz, sollte Docteur Kondratjew auf dumme Gedanken kommen.« Sie blinzelte Kondratjew anzüglich zu und deutete anschließend mit dem Kopf in eine Ecke des Zimmers.
Tja, das ist wirklich eine Überraschung , dachte Kondratjew und tadelte sich augenblicklich für den Ausdruck. VorWissenschaftler waren niemals überrascht … besser gesagt, sie gaben niemals zu, überrascht zu sein. Die Aufgabe von VorWissenschaftlern umfasste Hellseherei, 4Sagung und Prophezeiung; sie mussten in der Lage sein, die Zukunft akkurat vorherzusagen, und das hieß, dass Überraschungen gleichbedeutend mit Irrtümern waren. Trotzdem musste Kondratjew sich – leider Gottes – eingestehen, dass er überrascht war, ausgerechnet hier eine Visuelle Jungfrau anzutreffen. Visuelle Jungfrauen waren halb mythologische Wesen, und das Mädchen, das jetzt auf ihn zukam, war nicht irgendeine Visuelle Jungfrau, sondern – es sei denn, er lag vollkommen daneben – die berühmteste, die es gab, Schwester Florence, die Auralistin, die die Dreierbande identifiziert hatte. Sie hatte das Nest von Dunklen Charismatikern entdeckt, die das Quartier Chaud an seinem Busen, präziser gesagt, in seinem Senat, genährt hatte.
Vor der muss ich mich in Acht nehmen , sagte sich Kondratjew, vor allem heute, wo er gezwungen wäre, sehr sparsam mit der Wahrheit umzugehen.
Während sich der Kammerdiener widerwillig trollte, ging die Dogaressa in die Offensive: »Docteur Kondratjew, ich ’abe die Ehre, Ihnen Schwester Florence vorzustellen, Oberste Auralistin im ’eiligen und allwissenden Kloster der Visuellen Jungfrauen von Venedig.«
Die Schwester enttäuschte nicht. Kondratjew schätzte, dass sie noch keine zwanzig war. Obwohl sie einen Schleier trug, gab es keinen Zweifel, dass ihr Körper in vollster Blüte stand, und bei ihrer Größe gab es einiges, was blühen konnte. Obendrein hatte er dank des durchsichtigen Gewandes, das sie trug, einen mehr oder weniger ungehinderten Blick auf ihre üppigen Kurven. Es bestand aus hauchdünnem roten Organza, das ihren Körper keineswegs verbarg, sondern höchstens färbte.
Die junge Frau kam auf Kondratjew zu. Die Schritte ihrer nackten Füße waren auf dem Marmorboden kaum zu hören. Je näher sie kam, desto mehr verstärkte sich die fast berauschende Erotik, die sie umgab. Obwohl er nie eine besonders starke sexuelle Dynamik an den Tag gelegt hatte – die meisten seiner Geliebten hatten ihn als mezzo-piano oder allenfalls passabel bezeichnet –, spürte selbst er die unverwechselbaren Regungen der Lust, so begehrenswert war Schwester Florence. Bewusst begehrenswert.
Sie ist dabei, mich abzutasten, dachte Kondratjew, und deshalb
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