Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
Sade wirklich gewusst hätte, wohin er unterwegs war. In all dem Durcheinander hatte sein ansonsten unfehlbarer Orientierungssinn einigen Schaden genommen, und als sie jetzt durch die verschlungenen Gassen eilten, kam er ihm vollends abhanden. Doch kurz bevor die Panik ihn übermannte, entdeckte er zum Glück etwa fünfzig Meter vor sich ihr Ziel. Der flackernde rote Schein einer Laterne fiel auf ein Schild mit der Aufschrift »Maison d’Illusion«.
Lady IMmanual und er befanden sich nun in der rue de Simeon, einer berüchtigten Durchgangsstraße von Paris, die von Zuhältern, Prostituierten und eigenwilligen Intellektuellen mit besonderen, um nicht zu sagen perversen Vorlieben frequentiert wurde. Es war eine Gegend, in der man auf der Hut sein musste, daher umklammerte de Sade seinen Cloverleaf-Colt, während er Lady IMmanual durch die Straße führte und der Klang seiner Stiefelabsätze von den bröckelnden Mauern der Gebäude widerhallte.
Das Maison d’Illusion war weniger eine Bar denn ein Tanzsaal unter freiem Himmel, sodass sie bereits aus einer Entfernung von fünfzig Metern die schräge Musik hören konnten, die ihnen von dort entgegenschallte. Der Saal bestand aus einem Innenhof, der auf drei Seiten von den Mauern der verfallenen Mietskasernen umgeben war. Die vierte war von einer rot gestrichenen Bretterwand begrenzt, und hier befand sich der Eingang im Stil einer Pagode aus Coven. Er wurde von zwei erschreckend jungen Schlägertypen in zerlumpten, ausgebeulten Anzügen bewacht, die auf beiden Seiten der schmalen Tür an der Mauer lehnten. Einer von ihnen, ein dunkelhäutiger Bursche mit einer hässlichen Narbe auf der Wange, hob die Hand und verwehrte ihnen den Eintritt.
Er taxierte Lady IMmanual eingehend und fragte sie dann augenzwinkernd: »Combien?« De Sade drückte ihm einen Franc in die Hand und entgegnete verächtlich: »Trop cher« , woraufhin der Junge lachte, beiseitetrat und sie einließ.
Das Maison platzte aus allen Nähten. Trinker und Tänzer wiegten sich zur Musik eines Quartettes, das auf einer niedrigen Bühne am anderen Ende des Innenhofs spielte. Da die Tanzsäle hier gleichzeitig als Bordelle dienten, flüsterte de Sade Lady IMmanual zu, sie solle nicht auf die Blicke der Gäste reagieren. An einem Ort wie diesem wurden Missverständnisse zumeist mit dem Messer beigelegt, und er hatte keine Lust, ins Gras zu beißen, nur weil er die Lady beschützen musste.
Im Hof war es voll, und der Mond hatte sich hinter Wolken versteckt, sodass de Sade kaum sehen konnte, wohin er trat. Das wenige, was er erkennen konnte, erinnerte ihn daran, wie schäbig und heruntergekommen das Maison d’Illusion tatsächlich war. Die dürftige Einrichtung wirkte durch die Versuche der Studenten, sie zu dekorieren, noch abgeschmackter. Wohin er auch blickte, überall sah er gemalte Dämonen, Teufel, Elfen, Zwerge, Gespenster und Grigori, die zusammen mit den dekadenten und diabolischen Kostümen der herumlungernden Studenten eine unheimliche Stimmung erzeugten.
Die Stammkunden boten einen ähnlich schaurigen Anblick. Neben den ausgelassenen und spärlich bekleideten Kunststudenten tummelten sich dort auch vornehmere Gäste; offensichtlich wollten sie die primitiven und gefährlichen Freuden eines der berühmtesten Pariser Tanzsäle auskosten. Frauen, die mit Abendanzügen und pomadisiertem Haar als Männer verkleidet waren, Männer, die sich als Frauen ausgaben, und deren Geschlecht sich allein durch die breiten Schultern und das bläuliche Kinn verriet. Im Maison d’Illusion gab es keine Tabus.
Wie gewöhnlich erweckten die Frauen de Sades Aufmerksamkeit, Frauen, die mit prächtigen, ungeniert provokativen Kostümen aus Leder, Samt und Spitze äußerst leicht bekleidet waren. Ihre Klamotten waren billig und anzüglich, das Make-up dick aufgetragen und vulgär, trotzdem bewegten sie sich mit koketter Ausgelassenheit. Von ihrer ImPuritanischen Überzeugung getragen, waren die Frauen im Maison d’Illusion in puncto Sexualität äußerst selbstbewusst.
Mit ihrem gewagten Äußeren steckten sie auch Lady IMmanual an, der es nichts auszumachen schien, nackte Haut zu zeigen. Sie ließ den Umhang von den Schultern rutschen, dehnte und streckte ihren verführerischen Körper und wirkte durchaus zufrieden damit, wie ihre schwarz gefärbten Nippel über das Mieder lugten und die nackten Beine beim Gehen unter dem durchsichtigen Rock aufblitzten.
Nicht besonders klug , dachte de Sade, vor allem, als er
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