Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
bemerkte, wie die rauen Burschen mit den brutalen Gesichtern sie unter ihren Mützen gierig angafften. Ohne sie zu beachten, bugsierte de Sade sie auf die schützende Tanzfläche zu.
Vor der Bühne tanzten an die dreißig Pärchen eng umschlungen zum Rhythmus des Akkordeons und der Gitarre und bewegten ihre leidenschaftlichen Körper in Nachahmung eines Tangos. Der fremdartige Klang war eine verstörende Mischung aus Jad und Zigeunermusik, deren Rhythmus falsch und zugleich seltsam richtig schien.
»Java«, erklärte de Sade und nahm Lady IMmanuals Frage vorweg. »Ein Stilmix der Straße, der von den Tanzsälen der Pariser Unterwelt inspiriert wurde.«
Alle weiteren Erklärungsversuche gingen in einem lauten Geschrei unter, das von der anderen Seite des Saals kam. »Ich kenne dich, du Hurensohn!«, rief ein stattlicher Mann. »Mit oder ohne Maske. Du bist der Marquis de Sade.«
De Sade blickte auf und sah zu seiner großen Erleichterung, wie seine ausschweifende Vergangenheit ihn auf der anderen Seite der rauchgeschwängerten Tanzfläche einholte. Er kannte den Mann. Es war Paul Keller, der Vater des Mädchens, dessen Anzeige zu seiner Verbannung aus Venedig geführt hatte. Offensichtlich hatte Rose Keller ihr Aussehen von ihrem Vater geerbt … sie trugen sogar den Schnurrbart im selben Stil.
»Ein alter Bekannter, der offensichtlich nicht gerade beglückt ist, mich hier im Maison d’Illusion anzutreffen, verlangt nach mir, Mylady. Es wäre besser, wenn Sie sich vorübergehend von mir distanzierten.«
Lady IMmanual beobachtete, wie sich de Sade davonschlich, und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Was für ein lächerlicher Leibwächter! Doch als doppelzüngiger und korrupter Zeitgenosse war er bestimmt für ganz andere Dinge zu gebrauchen. Ja, de Sade besaß ein gewisses Potenzial. Weitere Betrachtungen zu seinen Defiziten als Leibwächter wurden jäh unterbrochen, als jemand sie am Arm packte. Die Hand gehörte einem schlanken, äußerst eleganten, wenn auch leicht zerzausten jungen Mann in einem maßgeschneiderten, cremefarbenen Anzug, der seine vollkommene Figur vortrefflich zur Geltung kommen ließ. Vermutlich sah er auch sonst sehr gut aus, aber die rote Ledermaske verbarg sein Gesicht. Das boshafte Funkeln in seinen Augen dagegen war deutlich sichtbar.
»Mademoiselle«, rief er auf Französisch mit einem deutlich russischen Akzent. »Würden Sie mir die Ehre erweisen, mich der schönsten und reizendsten Frau in ganz Paris vorstellen zu dürfen?«
Angesichts seiner Unverschämtheit musste sie lachen. »Klar doch«, antwortete sie und grinste aufmunternd. Sie hatte einfach eine Schwäche für Schurken.
Der Mann schlug die Hacken zusammen und verneigte sich. »Graf Andrej Sergeiwitsch Zolotow. Abbé Niccolò Machiavelli hat mich geschickt, um Sie in Sicherheit zu bringen.«
»Und was ist mit Schwester Florence?«
»Sie ist außer Gefahr«, verkündete Zolotow und horchte eine Sekunde auf die Musik. »Wir müssen hier warten, bis Machiavellis Agenten eintreffen. Darf ich mir die Kühnheit erlauben, Sie um diesen Tanz zu bitten? Schließlich spielen sie unser Lied.«
Warum nicht? Sie war in der Stimmung … für vieles.
Sie nickte und reichte ihm die Hand.
Zolotow führte sie in die Mitte der Tanzfläche, umschloss sie mit seinen kräftigen Armen und folgte dem Takt der Musik. Bald verfiel auch sie dem Zauber des seltsamen, hypnotisierenden Rhythmus und schwenkte die Hüften genauso verführerisch wie die anderen Frauen auf der Tanzfläche.
Zolotow war ein guter Tänzer und ein hervorragender Partner, der sie eng umschlungen hielt und schwerelos über die Tanzfläche glitt. Seine Gliedmaßen schienen aus Gummi zu sein statt aus Knochen und Sehnen. Interessant auch die Art, wie er seine Hände benutzte, vor allem, als er begann, systematisch ihren Körper zu erforschen.
All das war verschärft … stimulierend.
Zwei Stücke lang wirbelte Zolotow sie zum Rhythmus der Musik über die Tanzfläche, die in einem schwindelerregenden Farbenfluss an ihr vorbeiströmte. Das war berauschend, und während sie sich beim Tanzen mit zunehmender Leidenschaft aneinanderpressten, wurde ihr bewusst, wie sehr sie es genoss.
Nicht umsonst hatte sie tausend Jahre Erfahrung darin, Männer mit ihren Reizen einzuwickeln.
Während sie in seinen Armen über die Tanzfläche wirbelte, fragte sie: »Sagen Sie, Herr Graf, erlauben Sie sich immer solche Freiheiten mit Frauen, die Sie kaum kennen?«
Zolotows Lippen
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