Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
streiften ihren Hals; die sanfte Berührung ließ sie erschaudern. »Gewiss«, hauchte er. »Und wenn Sie gestatten, das Wort ›kaum‹ passt ganz ausgezeichnet zu Ihrem Kostüm.«
Sie lachte und schmiegte sich noch enger an ihn. Flirten war ein guter Zeitvertreib.
»Da drüben«, flüsterte er. »Wollen wir uns nicht etwas näher kennenlernen?« Damit führte er sie von der Tanzfläche weg in einen dunklen Alkoven, zog sie an sich und drückte sie gleichzeitig hart gegen die Wand. Sie stöhnte, als seine Hand über ihren Körper glitt und unter ihren dünnen Rock rutschte. Und während sie sich vor Wollust nach hinten bog, sah sie sich in einem Spiegel, der an der Wand des Alkoven hing. Die Frau, die ihr daraus entgegenblickte, war der Inbegriff ungezügelter Lust, eine verstörende mésalliance aus wissender Kurtisane und naivem Dummchen.
Zu Fleisch gewordener Dualismus.
Verzückt von ihrer eigenen Lust beobachtete sie sich wie eine Voyeurin, sah, wie sie Zolotow die Arme um den Hals legte, wie ihr Bein sich um ihn schlängelte und ihn noch fester an sich zog. Das Nebeneinander von dem, was sie sah, und dem, was sie fühlte, war hochgradig erregend. Sie war gleichzeitig Voyeur, Liebende und Geliebte.
Bis der Anblick des Messers in Zolotows Hand mit einem Schlag alle Leidenschaft auslöschte.
20
Paris
Demi-Monde:
14. Tag im Frühling des Jahres 1005
Meines Erachtens sind die faszinierendsten – und widersprüchlichsten – Aspekte der Mythen und Legenden über Lilith jene, die die Lebenden betreffen. Professor Heinrich Schliemanns Untersuchungen über die Entschlüsselung der ManteLit-Piktogramme auf der Großen Mauer haben ergeben, dass das UrVolk sich die Lebenden als unsichtbare Spiralen vorstellte, die in allen lebenden Wesen vorhanden sind. Liliths Fähigkeit, die Lebenden zu verändern und zu beeinflussen, verlieh ihr die Macht, die Evolution der MenschHeit zu beeinflussen und Lilithi, Grigori und Kohanim zu erschaffen. Als Reaktion auf die Anmaßung, ihre/seine Kraft über die Evolution der Menschheit zu stellen, schickte ABBA die Flut, die das Reich der Lilithi zerstörte.
Professor Michel de Nostredame: Fortschritt in die Vergangenheit. Der seltsame Fall der UrVolk-Piktogramme. Ein Vortrag vor der Vor-Gefangenschaft-Gesellschaft zu Venedig, Herbst 1001
Zolotows Messer hätte sie getroffen, wäre Schwester Florence nicht dazwischengegangen. Wie aus dem Nichts tauchte sie in der Menschenmenge auf und packte das Messer an der Klinge, die sich tief in ihre Handfläche bohrte.
Fluchend riss Zolotow das Messer los, doch es war bereits zu spät. Ein ohrenbetäubender Knall, der vertraute Geruch nach Schießpulver, und dann war der Teufel los. Die Kugel aus de Sades Pistole zerfetzte Zolotows Schulter, als er erneut zustechen wollte, doch das hinderte ihn nicht daran, seinerseits eine Pistole zu zücken und das Feuer zu erwidern. Immerhin verschaffte dieses Manöver Lady IMmanual genügend Zeit, um hinter einem umgekippten Tisch Schutz zu suchen, der ihr ein Minimum an Deckung vor dem herumfliegenden Blei bot.
Die Knallerei hatte eine verheerende Wirkung auf die Gäste. Offensichtlich waren sie erfahren genug, um zu wissen, dass eine Schießerei nicht zur planmäßigen Unterhaltung gehörte, und stürmten auf den Ausgang zu, doch der war nicht groß genug für diesen Ansturm verzweifelter Menschen, die sich aus der Schusslinie retten wollten. Im Nu schlug die Stimmung in Panik um. Schlägereien brachen aus, Gläser flogen durch die Luft, eine Lampe zerbrach und ging in Flammen auf, Menschen schrien, und im Maison d’Illusion nahm das Chaos überhand.
»Rennt, Mylady, rennt!«, brüllte Schwester Florence, während sie aufstand und ihre verletzte Hand umklammerte. »Der Kerl ist einer von Berias Agenten, wahrscheinlich sind noch mehr im Saal. Flieht!«
Es war ein guter Rat, doch Lady IMmanual behielt die Nerven. Sie überlegte einen Moment und kam zu dem Schluss, dass der beste Fluchtweg nicht durch den gerammelt vollen Ausgang führte, sondern durch die Bar, hinter der sich hoffentlich der Notausgang befand. Und da sie besser bewaffnet sein sollte, hob sie den Gehstock auf, den einer der Gäste auf seiner Flucht hatte fallen lassen. Entsprechend ausgerüstet sprang sie über die Theke, schlängelte sich durch Reihen von Holzkisten mit Lösungsflaschen und lief einen finsteren Gang entlang, in der Hoffnung auf ein Schild mit der Aufschrift »Notausgang«. Sie hatte Glück. Am Ende des Korridors
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