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Der Widerstand

Der Widerstand

Titel: Der Widerstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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holte abermals tief Luft, als er den Punkt in der Landschaft entdeckte, an dem er sich orientieren konnte. Noch zweihundert Meter, dann …
    »Mama! Mama! MamaMamaMama! «
    Pieter Ushakov hatte das Gefühl, dass ihm das Herz stehen blieb, als er die verängstigten Stimmen hörte. Er drehte den Kopf zur Seite und suchte die Umgebung ab. In dieser Gegend sollten sich überhaupt keine Zivilisten aufhalten, nur deshalb hatte er die Region ausgewählt. Woher im Namen Gottes …?
    Und dann sah er sie: eine junge Frau, ein Stück weit hinter ihm, die verzweifelt nach links und rechts schaute, auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf, den es hier nicht gab, während ringsum weiter Granaten explodierten. Sie mochte gerade einmal so alt sein wie seine Vladislava, vermutlich sogar etwas jünger, und sie hatte das gleiche weizenblonde Haar. Allerdings war sie mager und vom Hunger gezeichnet, ihre verschmutzte Kleidung hing deutlich zu groß an ihrem Leib herab. Auch wenn sie noch rund fünfzig Meter von ihm entfernt war, konnte er ihr die Angst deutlich ansehen. Aber die galt nicht ihr selbst, sondern dem Baby in ihrem Arm und den beiden bleichen, in Lumpen gehüllten und halb verhungert wirkenden Kindern, die sich am Rock der Mutter festklammerten.
    Er hatte keine Ahnung, woher sie kam und wieso sie überhaupt in dieser Gegend war, doch das war jetzt auch egal. Auf der Welt wimmelte es von Flüchtlingen, die alle irgendwie zu überleben versuchten, und irgendwie war es dieser Frau gelungen, im denkbar schlechtesten Augenblick mitten in diesem Gefecht aufzutauchen.
    Er wusste, was er tun sollte, was er tun musste . Doch das war etwas völlig anderes als das, was er nur tun konnte . Er dachte überhaupt nicht nach, was er da eigentlich machte, und tatsächlich hatte er bereits die halbe Strecke zurückgelegt, bevor ihm bewusst wurde, dass er der Frau entgegenlief.
    Sie sah ihn zu ihr kommen, und er bemerkte einen Hoffnungsschimmer über ihr Gesicht huschen, als sie seine Tarnkleidung des russischen Militärs erkannte. Sie stammte ebenfalls aus dem Armeelager.
    Ushakov sagte nichts, weil sie weder die Zeit dafür hatten und es auch nicht notwendig war. Stattdessen streckte er ihr die Arme entgegen und nahm eines der älteren Kinder hoch. Beide waren sie so schmal und so zerbrechlich; Arme und Beine waren so zart, wie er es von seinen eigenen Kindern in Erinnerung hatte, nur sah man diesen zweien deutlich an, dass sie schon seit einer Weile unter Hunger und Erschöpfung litten. Das Kind, das er hochgenommen hatte – er hielt es für ein Mädchen –, schlang die Arme um seinen Hals und drückte sich mit der Kraft der Verzweiflung gegen ihn.
    Dann machte er kehrt und lief den Weg zurück, den er gekommen war, um seinen Leuten zu folgen, die längst außer Sichtweite waren. Die junge Mutter lief hinter ihm her, so schnell sie konnte, geriet aber auf dem unebenen Waldboden immer wieder ins Stolpern und wäre fast hingefallen, als sich ihr Rock an einem Zweig verfing. Er hörte ihr angestrengtes, keuchendes Atmen, ihre hektischen Bemühungen zu überleben – nicht um ihrer selbst willen, sondern für ihre Kinder –, also zwang er sich, nicht so schnell zu laufen, wie er es eigentlich gekonnt hätte. Ohne ihn würde sie nicht wissen, wohin sie musste, aber wenn er ihretwegen noch langsamer vorankam, dann würde keiner von ihnen zeitig von hier verschwinden können.
    Da!
    »Nach links!«, hörte er sich keuchend rufen. » Nach links!«
    Sie hörte ihn und änderte die Richtung, dann taumelte sie eine leichte Schräge hinab und steuerte auf eine schwarze Öffnung zu.
    »Da rein!«, japste er. »Springen Sie! Los!«
    Die Frau zögerte keine Sekunde, sondern sprang in das Loch. Sie tauchte in die Dunkelheit ein und landete mit den Kindern fast zwei Meter tiefer auf dem Boden, ohne dabei den Halt zu verlieren. Ushakov war unmittelbar hinter ihr.
    »Nicht stehen bleiben! Weiter, weiter!«
    Noch leben wir, dachte er. Jetzt werden wir feststellen, ob das tief genug ist!
    Die Tunneldecke war so niedrig, dass er sich tief bücken musste, um sich nicht den Kopf zu stoßen. Die Laternen, die ein Stück weit vor ihm an der Wand hingen, verbreiteten nur schwaches Licht, doch die junge Frau kam mit den Kindern in der Düsternis deutlich schneller voran, als Ushakov es ihr zugetraut hätte.
    Der fast ebene Gang verlief durch das Innere eines steilen Hügels und führte dabei weg vom Fluss, dessen Feuchtigkeit das Gestein durchdrang. Der

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