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Der wilde Planet

Der wilde Planet

Titel: Der wilde Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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vermarktet, da es genau auf die neurochemischen Besonderheiten kindlicher Gehirne zugeschnitten war. Es hatte sich gut verkauft, bis ein Geschäftsführer von Alestria die Produktion des Medikaments auslagerte. Angeblich erhielt der tadschikische Lieferant den Auftrag, weil Kosten gesenkt und die Wirtschaft eines Entwicklungslandes gefördert werden sollten, aber der wahre Grund hatte damit zu tun, dass der Geschäftsführer eine beachtliche Provision von diesem Lieferanten erhielt. Daraufhin beschloss auch der tadschikische Lieferant, Kosten einzusparen und zwei der drei aktiven Wirkstoffe mit billigeren, aber pharmakologisch inaktiven Isomeren zu verschneiden. Das veränderte die relative Stärke der Wirkstoffe und damit auch die Wirkung des Medikaments. Zweihundert Kinder starben, sechshundert weitere schliefen ein und wachten nie wieder auf.
    »Hattest du mit der Sammelklage gegen Alestria zu tun?«, fragte Sullivan.
    Holloway schüttelte den Kopf. »Ich habe den Geschäftsführer Jonas Stern im Strafverfahren verteidigt. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und Alestria wegen gemeinschaftlichen Totschlags. Stern hatte seinen eigenen Anwalt für die Mordanklage, aber ich vertrat ihn wegen des gemeinschaftlichen Totschlags. Die Verfahren wurden gleichzeitig vom selben Gericht verhandelt.«
    »Und was hast du angestellt, dass man dir die Lizenz entzogen hat?«, wollte Sullivan wissen. »Hast du die Geschworenen beeinflusst? Den Richter bestochen?«
    »Ich habe Stern einen Faustschlag verpasst.«
    »Wo?«
    »Ins Gesicht.«
    »Nein«, sagte Sullivan. »Ich meine, hast du ihn etwa im Gerichtsaal geschlagen?«
    »Ja«, sagte Holloway. »Vor dem Richter, den Geschworenen, dem zweiten Strafverteidiger und ein paar Dutzend Reportern.«
    Sullivan starrte Holloway verständnislos an. »Darf ich fragen, warum?«
    »Wenn du die Anwaltschaft von North Carolina fragst, habe ich es getan, weil die Sache nicht gut für die Verteidigung lief. Also wollte ich durch den Angriff auf Stern dafür sorgen, dass das Verfahren wegen schwerer Verstöße für ungültig erklärt wird, weil ich dadurch eine unzulässige Befangenheit der Geschworenen provoziert habe.«
    »Gab es eine Anzeige wegen Verfahrensverstößen?«, fragte Sullivan.
    »Natürlich. Aber nicht gegen mich, weil das nicht der Grund war, warum ich ihn geschlagen habe.«
    »Und warum hast du es getan?«
    »Weil Stern ein selbstgefälliges, herzloses Arschloch war«, sagte Holloway. »Wir saßen im Gerichtssaal und hörten uns die Zeugenaussagen von Eltern an, die ihren Kindern unser Produkt gegeben hatten. Diese Kinder starben, weil Stern zu eifrig damit beschäftigt war, seine Taschen zu füllen, um sich auch noch darum zu kümmern, was in der Produktion passierte. Die Eltern saßen im Zeugenstand und heulten sich die Augen aus, und ich saß neben Stern, der die ganze Zeit grinste und vor sich hinkicherte, als würden sich die Eltern um Rollen in einer Soap Opera bewerben und er müsste entscheiden, ob sie ihre Sache gut machten oder nicht. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Also tippte ich ihm auf die Schulter, und dann brach ich ihm das Nasenbein.«
    »Das war dumm von dir«, sagte Sullivan.
    »Es war dumm, aber es hat sich sehr gut angefühlt.«
    »Genauso dumm, wie DeLise zu schlagen.«
    »Auch das fühlte sich in dem Moment richtig gut an.«
    »Ich möchte dir dennoch den Rat geben, dass Handgreiflichkeiten keine gute Methode sind, um durchs Leben zu kommen. Immerhin führte der erste Zwischenfall dazu, dass du deine Anwaltslizenz verloren hast, und der zweite hätte beinahe deinen Tod zur Folge gehabt. Das ist alles andere als eine vorzeigbare Erfolgsbilanz.«
    »Wohl wahr«, sagte Holloway. »Jedenfalls wurde das Verfahren für ungültig erklärt, man feuerte mich und entzog mir die Lizenz. Dann stellte mich die Anwaltschaft vor die Wahl, wegen Beeinflussung der Geschworenen angeklagt zu werden oder den Planeten zu verlassen. Deshalb bin ich jetzt hier.«
    »Was wurde aus Stern?«, fragte Sullivan.
    »Er wurde während des Wiederaufnahmeverfahrens auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude erschossen. Von einem Großvater eines Kindes, das gestorben war. An jenem Tag hatte er von seinem Arzt erfahren, dass er Lungenkrebs im vierten Stadium hatte. Er ging nach Hause, holte seine Waffe, jagte Stern eine Kugel in den Kopf und ließ sich widerstandslos von den Polizisten vor dem Gerichtsgebäude verhaften. Seine Gemeinde sammelte Geld für die Kaution, und

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