Der wilde Planet

Titel: Der wilde Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi

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Katzen?«
    »Sie werden gleich sehen«, sagte Holloway und startete das Video.
    Chen sah eine Minute lang völlig verdutzt zu. Dann geschah etwas mit ihm – als wäre plötzlich ein 50000-Watt-Flutlicht in seinem Kopf angegangen.
    Chen blickte sich zu Holloway um und zeigte auf das Infopanel. »Darf ich?«
    Holloway drehte sich zu Soltan um, die ihm zunickte. Er überließ Chen das Infopanel.
    Der Xenolinguist griff aufgeregt danach und spielte noch einmal den ersten Teil des Videos ab. Er drehte die Lautstärke auf, um besser hören zu können. Er spulte das Video mehrere Minuten lang vor und zurück.
    Schließlich blickte er sich zu Holloway um. »Sie wissen genau, was dort passiert.«
    »Sagen Sie es mir, Dr. Chen«, forderte Holloway ihn auf.
    »Sie sprechen!«, sagte Chen. »Mein Gott! Sie sprechen tatsächlich.« Er schaute wieder auf den Monitor. »Was sind das für Wesen? Wo haben Sie sie gefunden?«
    »Sind Sie sich ganz sicher, dass es sich um Sprache handelt?«, fragte Meyer von ihrem Tisch.
    »Nein, natürlich bin ich mir nicht zu einhundert Prozent sicher«, sagte Chen. »Ich kann nur von dem ausgehen, was Sie mir hier zeigen. Um Gewissheit zu haben, wäre viel mehr Datenmaterial nötig. Aber schauen Sie … « Er hielt das Video an, spulte ein kleines Stück zurück und ließ es erneut ablaufen. »Hören Sie sich an, was sie hier tun. Es ist phonologisch vielfältig, aber nicht zufällig.«
    »Was bedeutet das?«, wollte Holloway wissen.
    »Okay«, sagte Chen. Inzwischen war jegliche Müdigkeit von ihm abgefallen. »Zum Beispiel Vogelgesang. Die Laute werden mit sehr wenigen Variationen wiederholt. Vögel singen phonologisch sehr konsistent. Aber es ist nicht das, was wir normalerweise als Sprache bezeichnen würden. Sprache benutzt eine begrenzte Anzahl von phonologischen Elementen – Phonemen – , aber sie lassen sich auf nahezu unbegrenzte Weise miteinander kombinieren, je nach Morphologie der Sprache. Also vielfältig, aber nicht zufällig.«
    Chen zeigte auf die Fuzzys. »Und das ist genau das, was diese kleinen Burschen tun. Wenn man länger zuhört, merkt man, dass bestimmte Formen immer wieder auftauchen. Hier … « Chen wählte eine andere Szene, in der Papa Fuzzy sprach. »… dieser tsche -Laut. Er ist häufig zu hören, aber immer wieder in Verbindung mit anderen Lautfolgen. Genauso wie auch wir bestimmte Phonemkombinationen immer wieder benutzen, zum Beispiel in Silben.«
    »Also ist das so etwas wie eine Silbe?«, fragte Holloway.
    »Vielleicht«, sagte Chen. »Oder sogar ein Präfix, eine Vorsilbe. Denn wie es scheint, taucht sie meistens vor anderen Lautfolgen auf. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, was sie möglicherweise bedeutet.«
    »Also könnten es auch einfach nur irgendwelche Laute sein, die sie von sich geben«, sagte Meyer. »Wie das Miauen einer Katze. Oder der Gesang eines Vogels.«
    »Weder Katzen noch Vögel vokalisieren nur um des Vokalisierens willen«, sagte Chen mit leicht arroganten Unterton.
    Holloway grinste. Nachdem er jahrelang gar nichts zu tun gehabt hatte, erlebte Dr. Chens Gehirn plötzlich ein grandioses Comeback.
    »Nein, das halte ich für ausgeschlossen«, fuhr Chen fort. »Eine Katze hat verschiedene Laute für ›Ich habe Hunger‹ und ›Ich will nach draußen‹, aber das ist kein komplexes Vokabular, und auch die Laute selbst enthalten keine komplexe Bedeutung. Genauso wie beim Vogelgesang. Was diese Wesen hier tun – die Variationen, hinter denen offenbar ein System steckt – , lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass sie Worte artikulieren.« Chen blickte auf. »Gibt es noch mehr solcher Videoaufnahmen?«
    »Jede Menge«, sagte Holloway.
    Chen wirkte wie ein kleines Kind, das einen Hundewelpen als Weihnachtsgeschenk bekommen hatte. »Ausgezeichnet!«
    »Dr. Chen«, sagte Soltan. »Ist es Sprache? So wie wir Menschen sprechen?«
    »Erwarten Sie von mir eine definitive Aussage? Denn dazu stehen mir zu wenig Daten zur Verfügung.«
    »Dann geben Sie Ihre persönliche Einschätzung ab«, sagte Soltan.
    »Wenn ich nach meinem ersten Eindruck gehe, dann ja, auf jeden Fall«, sagte Chen. »Und nicht nur wegen der Phonologie und der offenbar vorhandenen Morphologie. Schauen Sie sich an, wie diese Wesen in diesen Szenen aufeinander reagieren. Offensichtlich hören sie aufmerksam zu und antworten dann, nicht mit eingeübten oder angeborenen Lautfolgen, sondern mit ganz neuen Lautkombinationen. Wenn das hier keine Sprache ist, dann kann es nur etwas sein,