Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
unsere beiden Doggen so laut und lange auf der Gartenseite, daß Poussevent und bald auch Pissebœuf, vermummt wie Bojaren und bewaffnet, sich ein Herz faßten, ihr warmes Lager verließen und in den Garten aufbrachen. Weil aber der Mond sich hinter dicken schwarzen Wolken verbarg, erkannten sie nur mit Mühe, daß unsere Hunde sich mit den Vorderpfoten gegen die hochgestapelte Holzwand stemmten und aus den gereckten Schnauzen wie tollwütig kläfften. Poussevent flötete Pissebœuf ins Ohr, er solle ganz leise eine Leiter holen, und als der sie ohne Zwischenfall und nicht ohne Verdienst herbeigeschleppt hatte, da es im Garten stockfinster war, lehnte Poussevent sie in den Winkel zwischen der Hausmauer und der Gassenmauer – nach der Rue du Chantre hin, wie der Leser sich erinnern wird. Die beiden Soldaten kletterten also auf den Holzstoß, der mindestens sieben Fuß hoch war, und hofften, daß der Mond sich aus den schwarzen Wolken schälen möge, was eine recht ungewisse Hoffnung war, denn wenn sie in die Höhe blickten, sahen sie in den schwarzen Massen kaum ein paar lichtere Flecken da und dort.
Inzwischen lauschten sie. »Das Ohr«, sagte Poussevent mit seiner gascognischen Aufschneiderei, »das stand mir zwei Daumen vom Kopf ab, so hab ich’s gespannt! Aber Geräusche, nichts, gar nichts, bloß etwas wie ein Atmen und ein leises Streichen. ›Eine Katze‹, flüstert Pissebœuf. Pah! Eine Katze! Als ob die Doggen sich deswegen rühren würden! Katzen, die spazieren bei schön Wetter alle Nächte über unsere Mauern, und die Hunde riskieren kaum ein Auge.«
Poussevent wollte Klarheit, und während er auf allen vieren auf die Scheitemauer kroch und trotz des Hundegebells jenes Atmen und Streichen immer deutlicher hörte, ohne aber dessen Ursprung zu begreifen, klatschte ihm etwas sehr Kaltes ins Gesicht. Er verkniff sich einen Fluch, wich zurück, sein Herz schlug wie eine Trommel. Nun streckte er die Hand vor »wie eine Katze«, sagte er, »die mit der Pfote tastet und auch gleich wieder auf dem Rückzug ist«. Er trifft auf ein hängendes Seil, hütet sich aber, daran zu ziehen, sondern läuft daran mit den Fingern entlang. Oben kriegt er einen Stock zu fassen und unten eine Schlinge, die ein Scheit zu umfangen versucht. »Haupt Gottes!« sagte sich Poussevent, »da hockt wer aufunserer Mauer bei einer Kälte, sich den Sack abzufrieren, und will uns Scheite klauen!«
Von dem Seil also zu dem Stock, von dem Stock hinauf zu dem Arm, den Arm packen, ihn mit einem Ruck herunterziehen, dem auf dem Holzstapel wankenden Jemand mit der Handkante eins in den Naken geben, ihn mit dem eigenen Strick binden und mit Pissebœufs Hilfe die Leiter hinunterhieven – für Poussevent war all das ein Kinderspiel, und er brauchte nicht einmal mehr groß anzugeben, als er seinen Gefangenen über der Schulter in den Saal schleppte, denn dort hatte sich unterdes das ganze Haus, Herren, Diener, Kammerfrauen, mit Kerzen in der Hand versammelt, alarmiert sowohl durch das Hundegebell wie durch das Triumphgeschrei unserer Soldaten nach ihrem Fang. Mein Vater befahl Guillemette, im Kamin Reisig nachzulegen, und Mariette, für alle einen Glühwein zu bereiten, dann sollte Poussevent den Gefangenen auswickeln, dessen Kopf unter einer Kapuze steckte und der uns, wie er da zu unseren Füßen lag, ein schmächtiger kleiner Schnapphahn zu sein dünkte. Weder rührte noch rüppelte er sich, sei es daß er sich vor dem entsetzte, was ihn erwartete, sei es daß Poussevents Handkante ihn betäubt hatte. Poussevent hatte aber mit dem Losbinden durchaus keine Eile, vorher wollte er uns seine Gefangennahme erst in epischer Breite schildern. Doch als die Bande fielen, mußte er mit seiner Geschichte zum Schluß kommen, ob er wollte oder nicht.
»Nimm ihm die Kapuze ab«, sagte mein Vater, »damit man das Gesicht dieses kleinen Holzanglers sieht.«
Die Kapuze gehörte zu einem bis auf den Faden abgewetzten, da und dort geflickten, schäbigen Mäntelchen. Und als Poussevent die Hand ausstreckte und sie ihm abziehen wollte, griff plötzlich der Schnapphahn danach, um sich ja nicht zu zeigen, doch Pissebœuf packte ihn, und Poussevent entblößte roh seinen Kopf.
Da sah man denn lange Haare den Nacken herniederrollen. Noch jetzt, während ich dies schreibe, steht mir jene Szene in all ihren Farben und Formen aufs lebhafteste vor Augen, mit dem Widerschein der hohen Flammen im Kamin, dem Kreis unserer Leute und dem Glühwein, den Mariette uns
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