Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
weniger als einer Petarde bedürfte, um sie zu sprengen.
Mein Vater hatte während der Bürgerkriegsjahre die Mauern nach der einen wie der anderen Gasse hin erhöhen lassen, weil die Liga zweimal versucht hatte, ihn zu ermorden. Aus demselben Grund hatte er auch die Nadlerei gemietet, weil sie von der drübigen Seite der Rue Champ Fleuri Einblicke in unseren Hof erlaubt. Und dort hatte er Franz, unseren Maggiordomo,mit seiner Frau Greta untergebracht. Als es Frieden wurde und die Liga wenn auch nicht tot, so doch in ihren Bauen verkrochen war und mein Vater sah, daß nunmehr Banden von üblen Kerlen ihr nächtliches Unwesen mit Raub und Mord in allen Vierteln, sogar dicht um den Louvre, trieben, hatte er seine Verteidigungsmaßnahmen nicht vermindert, sondern er hielt überdies zwei große Doggen, bei Tage angeleint, bei Nacht losgelassen, die eine im Garten, die andere in unserem Hof, der ihn jedoch weniger angreifbar dünkte, weil dort unsere Soldaten wohnten.
Da die bittere Kälte andauerte und es sich in unserer Gasse herumgesprochen hatte, daß wir reichlich Holz hatten, erhielten wir von unseren Nachbarn dringliche Anfragen, denn ein Scheit – Sie haben richtig gelesen, ein Scheit – kostete in Paris bis zu fünf Sous.
Dies nun wurde Gegenstand eines kleinen Wortwechsels zwischen meinem Vater und der Herzogin von Guise: sie fand, mein Vater sei es sich schuldig, den adligen Familien unserer Gasse von seinem Holz abzugeben, den Bürgern indes nur wenig und den Arbeitsleuten gar nichts. Jedoch nicht gegen Geld! Das würde den Marquis de Siorac entehren.
»Aber, Madame, Ihr verkauft Euer Holz auf Eurem Grund und Boden und ich das meine auf dem meinen.«
»Pfui, Monsieur! Ich habe mit solchem Handel nichts zu schaffen. Das macht alles mein Intendant.«
»Und erhebt beiläufig seinen Zehnten, der sicher die Hälfte des Ertrags ausmacht.«
»Kann sein.«
»Wollt Ihr nicht wenigstens einmal die Nase in seine Rechnungsbücher stecken?«
»Was denkt Ihr! Bei meinem Rang!«
»Euer Rang kommt Euch teuer zu stehen, Madame. Und da wir gerade bei dem Ehrenpunkte des Adels sind, erklärt mir doch bitte, weshalb es ehrlos ist, Scheite im kleinen gegen Geld abzugeben, aber ehrbar, einen ganzen Wald vermittels eines diebischen Intendanten zu verkaufen, der Euch schamlos beraubt?«
»Da gibt es nichts zu erklären. Das ist so.«
Fast hätte mein Vater sich verneigt, da dieses »das ist so« dem Streit offensichtlich ein Ende setzte. Doch ging derselbeStreit auf einem anderen Register mit dem Chevalier de La Surie weiter.
»Das adlige Vorurteil gegen einen Verkauf im kleinen ist einfach zu stark«, sagte mein Vater in meinem Beisein zu ihm, »deshalb werde ich mich besser hüten, dabei in Erscheinung zu treten. Franz soll das in der Nadlerei machen, von Hausverwalter zu Hausverwalter. Von Adligen und Bürgern kann er einen hohen Preis nehmen. Und den Arbeitsleuten, die arm dran sind, jedenfalls denen auf unserer Gasse soll er fünf Scheite gratis geben.«
»Das ist zuviel«, sagte La Surie.
»Wieso zuviel?«
»Mein lieber Pierre«, sagte La Surie, »ich habe Euch einen großen Vorteil voraus. Ich habe selbst in äußerster Armut gelebt und kenne deren Geheimrezepte. Der Arme auf Eurer Gasse, dem Ihr fünf Scheite gebt, wird zwei in seinen Herd stecken und die anderen drei zu einem Aufpreis verschachern.«
»Ich verstehe, er will auch essen.«
»Oder trinken«, sagte La Surie, »und seine Frau sitzt im Kalten. Außerdem demütigen Almosen. Laßt ihn für seine zwei Scheite eine kleine Arbeit verrichten, und wenn sie verbraucht sind, seht Ihr ihn sicher wieder an Eurer Tür.«
»Vater«, sagte ich, »würdet Ihr mir einige Scheite als Almosen geben?«
»Euch, mein Sohn!« sagte mein Vater lachend, »wem wollt Ihr die spenden?«
»Mademoiselle de Saint-Hubert. Als ich sie heute morgen zu meiner Stunde abholte, hatte sie blaue Lippen vor Kälte, obwohl sie just aus ihrer Haustür trat.«
Ich sah in La Suries Augen ein kleines
gioco
, diese blauen Lippen betreffend, blitzen, aber er war so taktvoll, an sich zu halten.
»Ich lasse ihr Holz für einen Monat bringen«, sagte mein Vater. »Ich weiß, daß sie seit dem Tod ihres Vaters sehr schmal lebt. Wolle Gott, daß dieser strenge Frost endlich weicht! Er hat schon zu viele Opfer gefordert.«
Sein Wunsch wurde nicht erhört, denn die Kälte hielt ununterbrochen an bis zum Monatsende, was uns aber auch einigen Stoff zum Ergötzen bot.
Eines Nachts bellten
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