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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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unschönes, mürrisches Gesicht die geheime Befriedigung verriet, daß er bettlägerig und folglich außerstande war, seinen
Hurren
nachzulaufen.
    »Sire«, sagte sie, indem sie auf einem Lehnstuhl Platz nahm, den ihr zwei Diener ans Kopfende des Königs stellten, »wie geht es Eurer Gicht?«
    »Nicht schlimmer, nicht besser. Und Euch, liebste Freundin, wie geht es Euch?«
    »Ich bin furrchtbarr
furiosa 1

    »Und warum, Madame?« fragte der König, die Brauen runzelnd.
    »Sire«, rief sie aus,
»è una vergogna! La Camera di Nantes non ha nemmeno risposto!«
2
    »Madame«, sagte der König, »ist dies der Ort und der Augenblick, über Euer bretonisches Edikt zu sprechen?«
    Dieses Edikt übertrug der Königin sämtliche Einkünfte, die in der Bretagne binnen neun Jahren durch Käufe, Verkäufe, Heimfallsrechte, Konfiskationen und andere Grundherrenrechte anfielen.
    »Sire«, fuhr die Königin fort, ohne sich durch den königlichen Verweis im mindesten beirren zu lassen,
»la Camera di Nantes non ha nemmeno risposto!«
    »Madame«, sagte Henri und nahm wieder einmal den Refrain auf, den er ihr seit der Hochzeit sang, »Ihr seid Königin von Frankreich! Bitte, sprecht Französisch!«
    »Eppure, è la terza lettera di iussione!«
3
    »Der Kabinettsbefehl, Madame, der Kabinettsbefehl! Ist das denn so schwer?«
    »E la Camera non ha nemmeno risposto!«
sagte die Königin , entschlossen, die Sprache der Verräter nicht zu sprechen.
»È una vergogna! Sono cattivi questi! Bisogna punirli!«
4
    »Sie bestrafen, Madame. Und wie?«
    »È molto semplice! Bisogna appiccarli al ramo d’un albero!«
5
    »Madame, in diesem Königreich hängt man die Leute nicht auf wie an den Fenstern von Florenz die Wäsche. Die Rechnungskammer von Nantes wahrt die Interessen Unserer ProvinzBretagne und hält diese für verletzt durch das Edikt, dessen Benefiz Wir Euch überlassen haben. Es ist an Uns, sie zu überzeugen, daß sie zu gehorchen hat.«
    »E come? E come?«
1 rief die Königin aus.
    »Monsieur de Sully wird gleich morgen einen neuen Kabinettsbefehl verfassen.«
    »La quarta!«
sagte die Königin höhnisch, indem sie ihre fetten Hände in die Höhe streckte.
»E anche quella non avrà nessun effetto!«
2
    »Madame«, sagte der König, indem er die Stimme leicht anhob, »nehmt gütigst Rücksicht auf meinen Zustand: wir haben sicher noch Gelegenheit, über Euer bretonisches Edikt zu sprechen, wenn ich wieder auf den Beinen bin.«
    Der Ton duldete keine Widerrede, und die Königin verstummte, den Kopf hochmütig und verdrossen gegen die Lehne ihres Stuhles gedrückt. Schweigen trat ein. Doch die Herzogin von Guise ging hinter dem Lehnstuhl Ihrer Majestät vorbei zum Bett des Königs, warf sich mit ihrem natürlichen Ungestüm auf die Knie und begann, ihm tausend Nichtigkeiten zu erzählen, die immerhin das Verdienst hatten, ihm Spaß zu machen. Hierauf kam Bassompierre zurück, und da er auf den ersten Blick sah, daß die Königin verschnupft war, ließ er sich zu ihren Füßen nieder und versuchte, sie aufzuheitern, was er so ziemlich als einziger am Hof zuwegebrachte.
    Da nun ein scheinbares Einverständnis in der königlichen Ehe einkehrte, wagte ich es, zwischen all den Reifröcken hindurch, die sich in der Gasse drängten, um dem König den Hof zu machen, mich der Herzogin von Guise zu nähern, machte ihr mein Kompliment und küßte ihr die Hand. Sie sprach kaum ein Wort mit mir und war sehr kühl. Ich war ganz erstaunt darüber und mehr noch verletzt, woraufhin die Prinzessin von Conti, die es beobachtet hatte, zu mir kam, mich ihren kleinen Cousin nannte und meine Wange mit einem Kuß streifte.
    Nach diesem Kuß fand ich mich in der Bettgasse wer weiß wie zwischen vier oder fünf Reifröcken gefangen, die mich, wiewohl nicht umfänglicher als die anderen, von allen Seiten bedrängten, um sich dem königlichen Lager zu nähern undSeine Majestät besser zu sehen, so daß ich schließlich weder vor noch zurück konnte. Diese Situation war um so lächerlicher, weil ich die Damen nicht kannte, die mich so in die Enge trieben, und weil sie, da sie mich auch nicht kannten, so taten, als wäre ich unsichtbar. Noémie de Sobol sah meine Verlegenheit, und indem sie sich mit ihrer gewöhnlichen Energie in das Röckemeer warf, faßte sie mich am Arm und zog mich nach ihrer Seite heraus. Doch kaum war ich der satin- und brokatschimmernden Flut entronnen, fiel sie zugleich flüsternd und zischend über mich her.
    »Ich weiß wirklich

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