Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
ungelegen kam, und beschied sich zur Kürze.
»Sire«, sagte er, »wünscht Eure Majestät, zu beichten und das Abendmahl zu empfangen?«
»Pater!« sagte der König, »stehe ich am Rande des Todes, daß Ihr mir die letzte Ölung geben wollt?«
»Mitnichten, Sire, ein jeder weiß, daß die Gicht niemanden umbringt.«
»Was nicht ausschließt, daß man bitter leidet.«
»Sire, ich bete zu Gott, er möge Eure Schmerzen lindern.«
»Danke, Pater.«
»Und ich bete zu den Heiligen, die für die Gicht zuständig sind.«
» Den
Heiligen?« fragte Henri, indem er die Brauen mit leicht ironischer Miene hob. »Gibt es mehrere für eine Krankheit?«
»Ja, Sire, allein in unserem Königreich gibt es dreiundzwanzig. Und alle sehr bewährt.«
»Dreiundzwanzig? Dreiundzwanzig Heilige, welche die Gicht heilen?«
»Gewiß, Sire. Weil die Gicht ein sehr verbreitetes Übel ist und jede Provinz im Reich ihren eigenen Heiligen dafür haben will.«
»Und betet Ihr für mich zu ihnen allen?«
»Gewiß, Sire, das muß man tun. In dieser Angelegenheit darf man keinen auslassen, um ihn nicht zu kränken.«
»Pater«, sagte der König (mit gewolltem oder auch nur gespieltemErnst), »ich weiß Euch Dank für Eure dreiundzwanzig Gebete und werde ihrer acht haben.«
Und er reichte Pater Cotton seine Hand zum Kuß, womit er ihm bedeutete, daß die Audienz beendet sei. Nichtsdestoweniger hatte das »ich werde ihrer acht haben« den Pater befriedigt. Der König hatte der Gesellschaft Jesu eine Schenkung von hunderttausend Ecus für den Bau einer Kapelle versprochen, die neben dem Collège de La Flèche errichtet werden sollte, wo die Jesuiten den Geist der zukünftigen Offiziere des Königs bildeten. Die Gelder flossen spärlich, Sümmchen für Sümmchen, in die Hände des Paters Cotton, der sie gewissenhaft an den General der Gesellschaft weiterleitete.
Nachdem er die Hand Seiner Majestät geküßt hatte, grüßte Pater Cotton mit dem Kopfe nacheinander einen jeden Zeugen dieser Begegnung, ohne einen einzigen auszulassen, dann schwebte er mit gesenktem Haupt und eingezogenen Schultern hinaus, als erlaube ihm seine Demut nicht, soviel Raum einzunehmen wie die unbekümmerten Christen, die ihn umgaben. So pompös und aufgeblasen, wie Pater Cotton bescheiden war, traten die beiden Ärzte des Königs in das Gemach, groß, dick und fett der eine, der andere lang und hager. Sie machten ebenso viele Verbeugungen, wie sie von der Tür bis zu seinem Bett Schritte zurücklegten, knieten nieder und küßten die Hand des Königs.
»Sire«, sagte der Dicke, der Milon hieß, »wir haben die Ehre, Eurer Majestät das
papaver somniferum album
zu bringen.«
»Was ist das?« fragte der König.
»Der Mohn, Sire.«
»Was für Mohn?«
»Die Pflanze, Sire, aus der man das Opium gewinnt.«
»Allewetter, bin ich eine Kuh, daß man mir Gras zu fressen gibt?«
»Aus der Pflanze gewinnt man einen Saft, Sire, und aus dem Saft bereitet man ein Pulver.«
»Und wo wächst diese Pflanze?«
»In der Türkei, Sire, nahe bei Izmir«, fiel der Hagere ein, der vermutlich fand, daß sein Kollege sich zu sehr in Szene setzte. Und indem er in seiner Robe wühlte, zog er ein Döschen hervor, das er dem König darbot.
»Das ist kein Pulver«, sagte Henri, als er das Döschen öffnete, »das ist eine Pille.«
»Sire«, sagte der Dicke, »das Pulver wird in Pillen verabreicht.«
»Aber es ist nur eine.«
»Es ist die Dosis, Sire, die man nicht überschreiten darf.«
»Außerdem«, sagte der Hagere, »ist dies eine außerordentlich kostspielige Medizin.«
»Meine Herren«, meinte der König spöttisch, »wollt Ihr das Königreich ruinieren, nur damit ich eine Nacht schlafen kann?«
»Sire«, entgegnete der Hagere, »wir haben das Pulver von einem jüdischen Arzt gekauft, der es zu Schiff aus Izmir kommen läßt – ein teurer und gefährlicher Transport angesichts der berberischen Piraten, die das Mittelmeer unsicher machen.«
»Ehrwürdigste Doktores medicinae«, sagte der König, »Ihr sollt mir die Pille nicht vergolden. Sagt ohne Umschweife, was sie kostet.«
»Fünfzig Ecus, Sire«, sagte der Hagere.
»Das ist ein wohlgenährter Preis!« sagte der König.
»Genauer gesagt«, erklärte der Hagere, »fünfundzwanzig Ecus für meinen Kollegen und fünfundzwanzig für mich. Ich habe das Pulver gekauft, und er dreht die Pillen.«
»Roquelaure«, sagte der König, »zahle den Herren fünfzig Ecus.«
»Aber, Sire«, erwiderte Roquelaure, der ja wußte, daß
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