Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
nicht, Monsieur«, sagte sie, »ob ich wohl daran getan habe, Euch zu befreien. Wir haben auf Euch einen fürchterlichen Zorn.«
»Wer ist ›wir‹, Madame?«
»Die Herzogin und ich.«
»Und was habe ich getan, um diesen zweiköpfigen Zorn zu verdienen? Ich sage ›Zorn‹ und nicht ›Hydra‹.«
»Wir waren zweimal bei Euch zu Hause, das zweite Mal am vergangenen Montag, aber Ihr wart nicht zu finden.«
»Weil ich ausgegangen war.«
»Monsieur, Ihr macht Euch wohl lustig!«
»Hätte meine liebe Patin mich vorher benachrichtigt, wäre ich daheim geblieben.«
»Aber Euer Vater und La Surie waren auch nicht zu Hause, und von Mariette hörten wir, daß Ihr immer montags, mittwochs und freitags in einer Mietkutsche ausfahrt.«
»Stimmt«, sagte ich.
»Monsieur, wieso seid Ihr auf einmal so kurz angebunden? Mit mir mag es ja hingehen, Monsieur, aber die Frau Herzogin wird Euch nach dem Grund Eurer Heimlichkeiten fragen.«
»Der ist sehr einfach: ich verbringe diese Nachmittage bei meinem Deutschlehrer, und ich fahre zu ihm, weil er alt und gichtkrank ist.«
»Monsieur, wie hieß gleich der alte Grieche, von dem Ihr mir erzähltet, er sei von einer Göttin in eine Frau verwandelt worden und habe derweise zwei verschiedene Arten der Liebe kennengelernt?«
»Teiresias.«
»Euer Deutschlehrer ist also eine Art Teiresias.«
»Was soll das?« fragte ich auffahrend.
»Toinon hat uns gesagt, dieser Lehrer sei in Wahrheit eine Lehrerin, aber vielleicht auch eine Mätresse.«
»Madame«, sagte ich sotto voce, aber zitternd vor verhaltenem Zorn, »sind wir verheiratet? Habe ich Euch ein Eheversprechen gegeben? Und was habt Ihr mit diesem Küchengewäsch zu schaffen?«
»Ich, nichts«, sagte sie, ihrerseits mit einem wütenden Blick auf mich, während sie ihre roten Haare schüttelte. »Weiß ich nicht allzugut, daß Ihr mir nichts versprochen habt? Aber vor Eurer gütigen Patin werdet Ihr nicht so davonkommen, Monsieur! Und Gott weiß, wie liebend gerne ich dabei wäre, wenn das Gewitter über Eurem Haupte losbricht!«
***
Als die Damen unter großem Geraschel und Geschleife ihrer Röcke aufbrachen, blieben zwar ihre Parfüms zurück, aber das königliche Gemach war auf einmal der Farben, der Wärme und des Lebens beraubt. Nachdem ihre hohen Stimmen, ihr helles Lachen, ihre temperamentvollen Ausrufe verstummt waren, bettete Henri, den ihre Gegenwart sichtlich belebt hatte, den Nacken müde in seine Kissen und schloß die Augen. Bassompierre nützte die Gelegenheit, mich beiseite zu ziehen und mir leise ins Ohr zu sagen: »Henri wird jetzt sicher wollen, daß nach Gramont Ihr mit
Astrée
fortfahrt. Erlaubt Ihr, Chevalier, daß ich ihn frage, ob ich an Eurer Stelle Gramont ablösen darf? Ich bin heute bei dem Herrn Konnetabel zum Souper geladen und möchte irrsinnig gerne dorthin gehen, nachdem ich einen sehr enttäuschenden Nachmittag hatte. Ich wollte Mademoiselle de Montmorency besuchen, fand sie aber nicht daheim, weil sie bedauerlicherweise zur selben Zeit im Louvre war.«
Ich stimmte sofort zu, und als der König die Augen aufschlug und mich aufrief, für den Comte de Gramont weiterzulesen, trat Bassompierre vor und äußerte seine Bitte. Der König hörte ihn kühl, mit halbgeschlossenen Lidern an. Gleichwohl willigte er ziemlich freundlich ein und stellte ihm sogar frei, daheim zu schlafen, unter der Bedingung, daß er anderntags pünktlich um acht Uhr wiederkäme. Ohne sich über die Lauheit des Königs zu wundern, dankte Bassompierre ihm überströmend und begann seine Lektüre mit einemSchwung und einer Freudigkeit, die nicht gerade zu dem Liebeskummer paßten, den Céladon in dem Text durchlitt. Mir war das Herz ein wenig bedrückt, als ich ihn – ich meine Bassompierre, nicht Céladon – so schön, so munter und so stolz auf sich sah und ganz unwissend um die schwarzen Wolken, die sich über seinem Haupt zusammenbrauten.
Doch eigentlich hatte ich schon an jenen genug, die dem meinen drohten und den diese rothaarige Mänade mir angekündigt hatte. Wahrhaftig! Ohne die Gegenwart des Königs wäre ich geplatzt, so wütend war ich. Mariette mit ihrer Zunge, ich hatte sie getadelt und nochmals getadelt, aber sie schwatzte! Dazu Toinons schwarze Bosheit! Und der Zorn der Sobol! Und die Inquisitorenlaune der Herzogin von Guise! Wieviel Unheil hatte ich von all diesen Weiberröcken zu gewärtigen, nicht weil sie mich haßten, sondern der Gipfel,
il colmo
, wie die Königin sagte, weil sie mich zu sehr
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