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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Augen, »was für ein Land ist das: Verkehren?«
    »Monsieur«, sagte Monsieur de Souvré mit einiger Verlegenheit, »ich weiß nicht. Wißt Ihr es?«
    »Ich weiß nicht«, ahmte Louis den würdigen Ton seines Hofmeisters nach. Dann setzte er hinzu: »Doch weiß ich, was das ist. Aber da Ihr es mir nicht sagen wollt, frage ich die Damen.«
    »Wen, Monsieur?«
    »Madame de Souvré«, sagte Louis. Und lachend fuhr er fort: »Verkehren heißt Liebe machen.«
    Nach diesem kleinen Sieg über seinen Hofmeister, den er ohne jede Bosheit genoß, denn er neckte nur diejenigen, die er liebte, während er den anderen ein kaltes, verschlossenes Gesicht vorbehielt, widmete sich Louis ganz seiner jüngeren Schwester. Fern waren die Zeiten, da er sie unter dem Vorwand schlug, sie habe ihm seine Birne gestohlen, in Wahrheit aber, weil er »Angst vor Mädchen« hatte!
    Amüsiert beobachtete ich, wie er sich während des Essens bemühte, vor Madame den großen Bruder zu spielen und auch, sie zu tyrannisieren, obwohl es eine zärtliche Tyrannei war.
    Als Monsieur Gilles, der Mundschenk, ihm Wein eingoß, bestand er darauf, daß sein Glas ganz gefüllt werde, indem er mit ein wenig grimmiger Miene sagte: »Oh, ich will mich daan gewöhnen, Wein zu tinken!«
    Als er sah, daß auch seine Schwester Wein trank, sagte er in strengem Ton: »Meine Schwester, Ihr seid zu jung, um Wein zu tinken. Ich tinke ihn, aber ich bin auch schon ein Jahr älter.«
    Und zu Monsieur Gilles sagte er: »Meiste Gilles, gebt meine Schweste keinen Wein, sie ist zu jung.«
    Ich wette, daß Madame, ein hübsches Mädelchen von sechs Jahren, ein wenig scheu und träge, auf den Wein kaum erpicht war, denn er war so stark, daß ihr großer Bruder jedesmal, wenn er trank, eine Grimasse zog. Aber sie wollte nicht, daß Louis ihr ein Vorrecht bestritt, das er sich selbst genehmigte, und begann zu schmollen. Als der Dauphin dies sah, brach er sein Sahnetörtchen entzwei, gab ihr die Hälfte und sagte in spöttischem Ton: »Meine Schwester, habt Ihr schon einmal so ein Tier gegessen?«
    »Das ist kein Tier«, sagte Madame, »das ist Kuchen.«
    Hierauf lachte er über seine eigene Schlichtheit. Sie sah ihn mit großen Augen an, als fragte sie sich, ob sie nun mit lachen oder sich gekränkt fühlen sollte. Aber da das Törtchen vor ihr lag, tat sie weder dies noch jenes: sie aß es.
    Als sie damit fertig war, fragte Louis: »Meine Schwester, wollt Ihr sehen, wie ich fechte?«
    »Ja, Monsieur«, sagte sie höflich.
    Die Antwort freute ihn, denn weil er sie liebte und sich darum wünschte, von ihr bewundert zu werden, wollte er ihr seine Talente vorführen und ließ unverzüglich seinen Waffenmeister Jeronimo rufen, der sich mit Monsieur de Gourville in die Ehre teilte, ihn das Fechten zu lehren.
    Mir schien, daß Louis für einen achtjährigen Knaben tatsächlich sehr gut focht und daß seine Ausfälle sehr mutig waren. Nach beendeter Stunde stützte er sich wiederum auf seinen Degen, wie ich es ihn schon einmal hatte tun sehen, forderte Jeronimo zur Kritik seiner Attacken auf und lauschte mit großer Aufmerksamkeit, was der Meister ihm zu sagen hatte. Nach einem heimlichen Blick auf meine Uhr bat ich Louis, mich zu beurlauben, und ich mußte versprechen, daß er mich noch sehen würde, bevor ich in Héroards Kammer schlafen ginge. Dann begab ich mich wieder in die Gemächer des Königs. Ich war überrascht, nur mehr an die zehn Personen vorzufinden, und hörte, der König habe unter seinen Dienern eine strenge Drittelung befohlen, um ein wenig Ruhe zu haben.
    Nach seiner Miene zu urteilen, ging es dem König nicht besser, nicht schlechter als vor meinem Besuch bei dem Dauphin, doch fiel es ihm offenbar schwer, das Bett hüten zu müssen. Der Comte de Gramont hatte Bellegarde im Vorlesen abgelöst, aber nach einer Stunde wurde er unterbrochen. Zum ersten kamen die Staatssekretäre und Minister, um an Henris Lager Rat zu halten, der übrigens schnell gefaßt wurde. Dann gab es plötzlich ein großes Tohuwabohou an der Tür, und die Königin trat herein, gefolgt von meiner lieben Patin, ihrer Tochter, der Prinzessin von Conti, der Herzogin von Montpensier, der Marschallin de La Châtre, der Marquise de Guercheville, einigen anderen mir fremden Damen und einem Halbdutzend Ehrenjungfern Ihrer Majestät.
    Da der Anblick eines Weiberrocks dem König stets Vergnügen bereitete, überließ er seine Hand gerne den Damen, und die Königin umarmte ihn ziemlich gutwillig, während ihr

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