Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
hatte.
»Ach, Monsieur!« sagte er gedämpft, »wie wohl es tut, meine Verse aus Eurem Munde zu hören! Ihr sprecht sie so eindringlich! Zwar bin ich Edelmann, aber arm und nähre mich von meiner Dichtung, doch sie ernährt mich schlecht, denn leider gibt es in diesem Königreich kein geringer geachtetes Metier, weil ein guter Dichter dem Staat so wenig nütze ist wie ein guter Kegelspieler.«
»Aber hatte ich nicht gehört, Monsieur, daß Ihr eine Pension vom Herzog von Bellegarde erhieltet?«
»Das war einmal. Herr von Bellegarde hatte Geldverluste, er mußte seinen Luxus abschaffen, und der erste, der abgeschafft wurde, war ich. Immerhin habe ich einige Hoffnung, daß die Königin mir eines Tages eine Pension gewährt. Nicht daß sie so erpicht auf Verse wäre, aber in Italien pflegt man sich eben einen Dichter zu halten.«
»Und der König, für den Ihr so schöne Verse schreibt?«
»Er gibt mir keine Pension: die käme ihn zu teuer. Er bezahlt mich pro Stück.«
»Knauserig?« fragte ich leise.
»Das kann ich nicht sagen. Einmal hat er mir fünfhundert Ecus für ein Sonett bezahlt. Monsieur, ich sehe an Eurer Miene, daß Ihr das für viel haltet. Und es ist tatsächlich viel, in Anbetracht der Zeit, die ich dafür brauchte. Aber für die Lehrzeit eines ganzen Lebens ist es wenig. Außerdem dauert dieser Kontrakt, wenn es denn ein Kontrakt ist, nur so lange wie die unerfüllte Leidenschaft des Betreffenden. Mit dem Tage, da er in den Besitz der Ersehnten gelangt, wird er nicht mehr in Versen zu ihr sprechen.«
»Monsieur«, sagte ich mit Wärme, »wenigstens habt Ihr einen Trost: Eure Dichtung wird die Jahrhunderte überdauern.«
»Das sage ich mir auch. Und eines Tages, als ich Hunger hatte, habe ich es mir in Versen gesagt. Nur, was nützt mir der Nachruhm, wenn ich Staub im Grabe bin?«
In dem Augenblick näherte sich Monsieur de Malherbe ein Page und sprach ihm etwas ins Ohr, und ich dachte mir, daß er einen Befehl Seiner Majestät überbrachte, denn der Dichter stand eilends auf und verabschiedete sich von mir. Und wie ich mich erinnere, dachte ich, als ich ihn davongehen sah, daß sehr viele Große dieses Hofes längst vergessen wären, wenn der Name des armen Malherbe, den man »pro Stück« bezahlte, noch immer Klang auf der Erde haben würde.
In unsere Unterhaltung vertieft, hatten Monsieur de Malherbe und ich das Ringspiel wenig beachtet, und wir waren damit gewiß nicht die einzigen; die Mehrheit der Höflinge und besonders die Damen plauderten in Grüppchen über ihre kleinen Angelegenheiten und klatschten einfach mit, wenn die ersten Reihen das Signal gaben. Während ich nun wieder Ausschau nach meinem Vater und La Surie hielt, ohne besondere Hoffnung, sie in der Menge zu entdecken, ließ ich meine Suche plötzlich schnöde fahren, als ich ein weitaus reizenderes Ziel erblickte: Mademoiselle de Fonlebon, Ehrenjungfer der Königin, die Roquelaure mir im Louvre gezeigt hatte, als der König mit der Gicht darniederlag, und von welcher der kleine Dauphin mit seinen acht Jahren gesagt hatte, er sei so sehr in sie verliebt.
Ich schlängelte mich nicht ohne Kühnheit zu ihr hin, denn dazu mußte ich mich durch eine Schwadron Ehrenjungfern Ihrer Majestät kämpfen, die kichernd beisammen saßen und mich spöttisch musterten, als wäre ich eine Art Fisch, der in ihren Wassern nichts zu suchen hatte. Endlich erreichte ich Mademoiselle de Fonlebon, begrüßte sie und stellte mich vor.
»Siorac?« sagte sie mit süßer Stimme. »Den Namen kenne ich. Eine meiner Großtanten im Périgord, eine geborene Caumont, hatte einen Siorac geheiratet. Sie ist im Kindbett gestorben, soviel ich weiß.«
»Das war meine Großmutter«, sagte ich, ganz glücklich zu entdecken, daß wir eines Blutes waren. »Mein Großvater ist der Baron von Mespech, und seine Baronie liegt einige Meilen von Sarlat.«
»Dann sind wir ja auch Nachbarn!« sagte sie fröhlich. »Mein Vetter, schlagt ein!«
Ich ergriff ihre Hand nicht nur, ich küßte sie, was die anderen Ehrenjungfern um uns zu Lachen und Widerspruch herausforderte. »Pfui«, sagten sie. »Der Flegel hat kein Benehmen! Küßt einer Jungfer die Hand! Er weiß wohl nicht, daß man nur verheirateten Damen die Hand küßt.«
Diese Verweise weckten die Aufmerksamkeit der Marquise de Guercheville, die mit offenem Fächer, mit vor Entrüstung geplustertem Reifrock und gerecktem Schnabel auf mich zustieß wie eine Glucke, die ihre Kücken verteidigt.
»Was ist das? Was
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