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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nicht bleich, zerstört, leidend gesehen, fastend und ohne Schlaf?«
    »In der Tat, ich könnte es, wenn nötig, bezeugen. Und auch, daß Ihr Charlotte heute ohne Groll dient.«
    »Der König hat es befohlen. Und ist es für mich nicht eine gute Gelegenheit, die Huld einer Dame zurückzugewinnen, die seinem Herzen so nahe steht?«
    »Und die eines Tages vielleicht die Königin wird ...«
    »Oh! Darauf würde ich nicht wetten«, sagte Bassompierre. »Condé verteidigt seine Frau so wild, auch wenn sie es nur dem Namen nach ist. Um die Schöne von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, müßte der König den Ehemann in die Bastille sperren.«
    »Und wird Henri es tun?«
    »Ich bezweifle es. Der Skandal wäre groß. Um so mehr, alsder König seinerzeit so unklug war, der Verneuil anzuvertrauen, Condé sei sein Sohn. Was sie heutzutage überall in den giftigsten Worten herumposaunt.«
    »Ist das wahr?« schrie ich auf. »Wenn es so wäre, wäre das nicht entsetzlich?«
    »Woher soll man das wissen?« sagte Bassompierre, ohne mit der Wimper zu zucken. »Die verwitwete Prinzessin von Condé hat ihren Mann ja nicht nur mit einem Pagen betrogen, sondern gleichzeitig mit jedermann. Zweifellos auch mit dem König. Wer weiß also, wer der Vater ist?«
    »Eines erstaunt mich, Monsieur«, sagte La Surie. »Wenn die Prinzessin von Condé in Fontainebleau so gut behütet wird, wie konntet Ihr dann zu ihr gelangen?«
    »Verzeiht, Chevalier, aber das zu erklären wäre zu langwierig«, sagte Bassompierre mit einem ausweichenden Lächeln. »Dafür sollt Ihr erfahren, was ich auf Befehl des Königs tun konnte. Ich engagierte einen Maler, dessen Namen ich verschweige, ich brachte ihn insgeheim zur Prinzessin, er malte mit einer wunderbaren Geschwindigkeit ihr Porträt, und mit noch feuchten Farben – ich mußte sie mit Butter einreiben, damit sie nicht verklebten – rollte ich die Leinwand vorsichtig ein, entfloh damit wie ein Dieb, und als ich mit dem König allein war, entrollte ich sie. Ihm traten Tränen in die Augen, so überwältigt war er! Aber ob der Wonnen, die ihm das Bildnis der Geliebten verschaffte, unersättlich geworden, wollte er noch mehr: sie nämlich um Mitternacht zwischen zwei Fackeln auf ihrem Balkon sehen. Auf mein Drängen willigte sie unter der Bedingung ein, daß dabei kein Wort gewechselt und daß der König nur von mir und Bellegarde begleitet würde. Wir waren also zu dritt und weit im voraus zur Stelle, weil der König so ungeduldig war, und mußten im Dunkeln eine gute Viertelstunde unter dem Balkon warten, ohne einen Mucks von uns zu geben. Endlich schlug es Mitternacht, die Glastür öffnete sich, zwei Lakaien traten, jeder mit einer Fackel, hervor. Die Schöne ließ sich Zeit, um die Dinge, wenn sie sie schon tat, dann auch gut zu machen. Sie erschien in Nachtgewändern, die langen blonden Haare fielen gelöst über ihre nackten Schultern, und sie stand rein und still, den Schatten eines Lächelns auf den Lippen. Aus den blauen, vom Fackelschein erhellten Augen blickte sie geradeaus wie eineGöttin im hohen Olymp, welche die anbetenden Männer zu ihren Füßen gar nicht bemerkte.
    Der König hatte einen Arm um meine Schulter gelegt: zum Glück! Sonst wäre er unter dem Schock der Schönheit, die sich seinen Augen darbot, halb von Sinnen umgefallen – er, der doch so viele Schlachten und soviel Blut gesehen hatte. Bellegarde erkannte seine Schwäche, ergriff seinen Arm und stützte ihn auf der anderen Seite. Ich sah auf den König. Er war totenbleich im Fackelschein, seine Lider flackerten. Als ich wieder hinaufblickte, war keine Schöne mehr da, nur die Fackeln leuchteten noch im Dunkel. Nach einem Weilchen verschwanden auch sie, und es wurde Nacht.«
    Am nächsten Tag fand ich Gelegenheit, die Prinzessin allein zu sprechen, und fragte sie, was sie von dieser stummen Szene denke. Sie lächelte halb und sagte mit einem kleinen Achselzucken: ›Mein Gott, er ist verrückt!‹«
    ***
    »Sie dagegen ist ganz und gar nicht verrückt«, meinte mein Vater, nachdem Bassompierre gegangen war.
    »Mein Vater, muß man wirklich alles glauben, was unser Freund uns da erzählt hat? Dieses heimlich gemalte Porträt, die mit Butter eingeriebene Leinwand, diese Balkonszene zwischen zwei Fackeln um Mitternacht, die halbe Ohnmacht des Königs, sind das nicht romaneske Hirngespinste?«
    »Durchaus nicht. Alles was Bassompierre je erfunden hat, ist eine Figur namens Bassompierre, die er vor sich her schickt und deren

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