Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
durch den König wettgemacht wurde, der, obwohl er noch einen Lauf vor sich hatte und nicht abgestiegen war, sogleich von der Arena aus zu den Rängen hinauf aus aller Kraft klatschte.
Im Unterschied zu seiner Frau schlief Concini nicht im Louvre, und da er auf Befehl des Königs seit kurzem keinen Zutritt mehr zu den Gemächern der Königin hatte und sie also nicht mehr vertraulich sprechen konnte, war der verwegene Gauner darauf verfallen, sich den Lärm und das Durcheinander des Rennens zunutze zu machen, denn er konnte darauf bauen, daß die Ehrenjungfern der Königin kein Wort seiner Sprache verstanden; die französischen Töchter aus gutem Hause wurden alle in Klöstern erzogen, wo man die größte Sorge darauf verwandte, sie nichts zu lehren.
Sowie die Königin allein war, wandte sie sich an den Herzog von Épernon und sprach lange mit leiser Stimme zu ihm. Leider hatte Mademoiselle de Fonlebon ihre périgourdinische Erzählung beendet und verstummte gerade in diesem Moment voller Erwartung, daß ich ihr eine Geschichte vom selben Schlag böte, und sei es nur, um unserem gemeinsamen BlutsbandEhre anzutun. Gezwungen also, selbst zu sprechen, konnte ich nur wenige Worte von dem erhaschen, was die Königin sagte, aber genug, um daraus zu schlußfolgern, daß sie dem Herzog in ihrem Kauderwelsch wiederholte, was Concini ihr soeben gesagt hatte.
Hierbei wandte sie dem Herzog den Kopf zu, und der Herzog schaute zu ihr, und ich gewahrte betroffen den Kontrast dieser beiden Profile. Das von Épernon war scharf gezeichnet, es hätte, wie man sagte, großen Effekt auf einer Medaille gemacht, und aus seiner ebenmäßigen Physiognomie sprachen gleichzeitig Geist, List und Härte. Während das Profil Marias mit der dicken, zum Ende hin quasi sprossenden Nase, mit dieser dumm vorspringenden Unterlippe und dem vorstehenden Kinn ein wenig anziehendes Gemisch aus Vulgarität, Plumpheit und Verdrossenheit darstellte. Bekanntlich hielt die Königin, weil sie wenig im Kopf hatte, um so mehr an den Ideen fest, die sie sich einmal eingepflanzt, und verfolgte sie mit einem Starrsinn, der bei ihr die Vernunft ersetzte. Trotzdem entbehrte sie nicht einer gewissen Witterung, sie hatte ein gutes Gedächtnis und sah die Dinge zwar ohne Hintergründe, aber sie sah sie ziemlich genau. Sie vertraute Épernon, weil sie fühlte, daß sie beide vom selben Ufer waren, und darin täuschte sie sich nicht. Er gehörte zur spanischen Partei, war Philipp III. durch einen Geheimvertrag verpflichtet, genoß als freidenkender Katholik die besondere Freundschaft der Jesuiten, und außerdem nährte er gegen den König einen Groll, der, wenn auch aus anderen Ursachen, dem einer betrogenen und verlassenen Gattin wenigstens an Intensität gleichkam.
Als ich am Abend nach dem Ringspiel mit meinem Vater in unserem teuren Herbergskämmerchen saß, fragte ich ihn, welche Gefühle Épernon gegenüber Henri hege.
»Gift und Galle«, antwortete er. »Das habe ich Euch schon einmal gesagt. Der König hat ihm in seiner Stadt Metz einen der Krone hörigen Leutnant vor die Nase gesetzt, er beschneidet ihm täglich seine Vollmachten als Generaloberst der französischen Infanterie, aber vor allem hat er beschlossen, ihm jetzt und immerdar keinen Oberbefehl in dem bevorstehenden Feldzug anzuvertrauen. Dafür hat er ihn zum Regentschaftsrat ernannt, der die Königin aufklären und alles mit ihr entscheiden soll, wenn er selbst bei den Waffen stehen wird. Aber es isteine lächerliche, eine geradezu schimpfliche Entschädigung. Dem Regentschaftsrat werden fünfzehn Männer angehören, und Épernon wird darin nur eine Stimme haben: seine. Was mich betrifft, wäre mir eine offene Ungnade geheurer als diese Halbgnade, denn Épernon ist ein gefährlicher Fuchs, tückisch, klug und verwegen. Ich bin auch überzeugt, daß er es war, der Heinrich III. als erster den Rat gab, den Herzog von Guise zu ermorden; aber durch einen glücklichen Zufall, zu glücklich, um nicht manipuliert zu sein, fehlte er bei dem geheimen Rat zu Blois, der diese Hinrichtung beschloß. Und das könnte ich jederzeit beeiden, denn ich war dabei.«
»Mein Vater!« rief ich aus. »Ihr habt der Herzogin von Guise das Gegenteil geschworen! Und in meiner Gegenwart!«
»Ihr kennt sie doch. Wie sollte ich ihr erklären, daß ich an jenem Rat als Zeuge teilnahm, aber ohne beratende Stimme? Eine solche Nuance hätte sie nie begriffen.«
»Als Zeuge, Herr Vater? Und welches war Euer Zeugnis?«
»Das könnt
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