Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Zierlichkeiten ihn amüsieren, weil sie uns ergötzen. Aber Bassompierre lügt nicht. So wenig übrigens, wie er im Spiel betrügt.«
»Aber was die Prinzessin angeht«, sagte ich, »wer soll ihr das glauben, daß sie nach der Hochzeit noch Jungfrau sei wie zuvor? Heißt das nicht, den anderen einen Bären aufzubinden? Wenn ich Condé wäre, hätte ich mich jedenfalls, und sei es mit Gewalt auf sie gestürzt, und wäre es nur, um sie zu schwängern und damit dem König Paroli zu bieten.«
»Allewetter, Monsieur, Ihr geht ja ran!« sagte mein Vater süßsauer.
La Surie aber lachte schallend. »Nur seid Ihr nicht Condé,mein schöner Neffe!« sagte er. »Ihr habt mit acht Jahren den Arm einer Tochter aus gutem Hause geküßt! Und mit zwölf Jahren mußte man Euch eiligst von Eurer Milchschwester trennen, weil man das Schlimmste fürchtete.«
Mein Vater zuckte die Achseln.
»Auf alle Fälle, was die Prinzessin auch sagen mag und ob man ihr glaubt oder nicht glaubt – das sind Frauengeheimnisse. Keiner kann nachsehen außer dem Ehemann, und der scheint daran wenig interesssiert. Ich meine, der König wäre von der Prinzessin schwer enttäuscht gewesen, hätte sie dies Bassompierre nicht gesagt, in der Absicht natürlich, daß er es Seiner Majestät weitergebe.«
Er sagte dies in einem Ton, als wolle er eine Debatte beenden, die ihm zu sehr ins Frivole abglitt.
Ich verstand es so, ging auf mein Zimmer und nahm mir wieder den Brief an meine Gräfin vor, den ich bei Bassompierres Ankunft unterbrochen hatte. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich ihr alle Tage geschrieben, mein Vater stellte mir aber vor, dies sei das sicherste Mittel, sie zu kompromittieren. Seinem Rat gemäß beschränkte ich mich auf zwei Briefe im Monat. Und damit ich mir einbilden konnte, daß ich meinen Studien dadurch nicht zuviel Zeit entzog, verfaßte ich sie auf deutsch. Auch meinte ich, ihrer letzten Worte eingedenk, daß ich ihr auf diese Weise Gefühle ausdrücken könnte, die ich nicht in Worten sagen durfte, weil meine Briefe, da sie aus Frankreich kamen, in Heidelberg sehr wahrscheinlich geöffnet wurden, bevor man sie ihr aushändigte. Ulrike antwortete mir jedesmal. Ihre Briefe waren lang und ausführlich, und außer daß sie meine Fehler im Deutschen korrigierte, berichtete sie mit vielen Einzelheiten, wie sie in Heidelberg lebte, aber so vorsichtig, daß ich darin keine Spur einer mich betreffenden zärtlichen Hoffnung entdecken konnte, es sei denn in ihrer Länge selbst.
Prächtig gewandet und in einer Wolke von Wohlgeruch stürzte sich der König zu Fontainebleau ins Rennen und erhielt allen Grund zur Befriedigung, denn obwohl er beim Stechen eine Brille trug, errang er vier von acht Ringen, der Prinz von Condé nur drei. Bassompierre beteiligte sich nie, wenn der König aufs Feld ging, um zu vermeiden, daß er womöglich ein besseres Ergebnis erzielte, und viele folgten seinem Beispiel.
Der Hof, der auf den Terrassenstufen versammelt war, woaber keine Plätze markiert waren – was ein unbeschreibliches Durcheinander ergab –, applaudierte dem König wie toll unter einer so unerbittlich glühenden Sonne, daß den Damen die Schminke von den Gesichtern floß und einige, die zu eng geschnürt waren, in Ohnmacht fielen. Kein Wunder, daß ich in all dem Gedränge meinen Vater und La Surie verlor, ohne mich aber deshalb zu beunruhigen, denn ich wußte ja, daß ich sie zum Abendessen in unserer Herberge zu Samois wiederfände, wo mein Vater ein sehr teures Kämmerchen für die Nacht mit drei harten Roßhaarmatratzen gemietet hatte.
Da mich das Ringspiel wenig interessierte, irrte ich durch die Menge, um sie zu suchen, als ich auf einen Edelmann stieß, den ich oft in Begleitung von Monsieur de Bellegarde gesehen hatte und den ich als Monsieur de Malherbe erkannte. Mit dem Ungestüm meiner Jugend und meines Wesens trat ich auf ihn zu, stellte mich vor und erklärte ihm rundheraus, welche Bewunderung seine Dichtungen mir erweckten. Er hörte mich zuerst ziemlich steif und unzugänglich an, indem er mir ein Gesicht zuwandte, das in seiner männlichen Regelmäßigkeit durchaus schön gewesen wäre, hätten bittere Falten und ein düsterer Ausdruck es nicht verdorben. Als ich ihm jedoch halblaut Verse von ihm sagte, die ich auswendig kannte, besonders jene, die der König mir diktiert hatte, war er glücklich überrascht von dem Gefühl, das ich in sie hineinlegte, und gab sich plötzlich so offen, wie er sich vorher verschlossen
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