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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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wissen, doch fiel ich in Mißmut und Melancholie, als mein Vater und La Surie aufs Land abreisten und ich in Paris allein blieb. Man wird sich gewiß denken können, daß seine Gemahlin, Angelina de Montcalm, sich auf meiner Taufurkunde nur unter der Bedingung als »meine Mutter« hatte erklären lassen, daß sie mich nie zu Gesicht bekommen würde.
    Wütend stürzte ich mich also auf meine Studien und nicht ohne Entmutigung auf meine papierene Liebe, indem ich meiner Gräfin artig lange Briefe schrieb, die sie stets beantwortete, ohne mir aber zu verhehlen, daß die Nachfolge ihres Vaters sie noch lange Zeit in Heidelberg festhalten werde. Ich war untröstlich. Da ich von ihr kein eigentliches Liebespfand besaß, das meine Träume nährte, und die Einsamkeit meinen unglücklichen Körper mehr und mehr drückte, hatte ich das Gefühl, daß meiner Neigung allmählich die Kraft ausging.
    Während der vierzehntägigen Abwesenheit meines Vaters besuchte mich freundlicherweise Bassompierre. Er machte wie immer den Eindruck, von einer Frau zur anderen zu eilen und von den Karten zum Würfelspiel. Gleichwohl war er stets über alles auf dem laufenden und kommentierte die Nachrichten, die er mitbrachte, mit heiterem Scharfsinn. So entsinne ich mich, daß er mir eine für das Königreich höchst folgenreiche Neuigkeit mitteilte: Auf Befehl des Kaisers von Österreich hatte sich nunmehr der Erzherzog Leopold des Herzogtums Kleve bemächtigt und dieses unter Sequester gestellt. Meine schöne Leserin wird sich gewiß erinnern ...
    »Ach, Monsieur! Hören Sie doch auf mit diesem ›Meine schöne Leserin wird sich gewiß erinnern ...‹.«
    »Aber, schöne Leserin, was stört Sie daran?«
    »Das wissen Sie sehr gut! Immer, wenn Sie diese Formel gebrauchen, bezweifeln Sie natürlich, daß ich mich erinnere ... Halten Sie mich für dumm, Monsieur? Wie oft, glauben Sie, müssen Sie mir noch sagen, daß der Herzog von Kleve kinderlos gestorben war und daß Henri zwei Kandidaten für dessen Nachfolge unterstützte, den Kurfürsten von Neuburg und den Kurfüsten von Brandenburg, beides Protestanten, während der Kaiser den Kurfürsten von Sachsen bevorzugte. Und damit also stand der Krieg unmittelbar bevor?«
    »Nein, Madame, man bewegte sich auf ihn zu, aber ohne Hast. Henri rief seine Truppen, die er den Niederländern im Kampf gegen Spanien geschickt hatte, über die Grenze zurück, tat aber zunächst nichts, um das Herzogtum zu erobern.«
    »Warum?«
    »Er suchte noch Verbündete.«
    »Welche?«
    »Die Niederlande, England und die lutherischen deutschen Fürsten.«
    »Alles Protestanten.«
    »Wie beschlagen Sie sind, Madame! Tatsächlich, wer hätte sich denn mit unserem Henri zusammenschließen können, wenn nicht jene Staaten, die aus guten Gründen die Tyrannei des Kaisers, des Spaniers und des Papstes zu fürchten hatten?«
    »Und sie flogen in seine Arme?«
    »Ganz im Gegenteil. Sie hielten sich äußerst bedeckt, weil sie fürchteten, daß Henri besagte Tyrannei durch die seine ersetzen werde.«
    »Trotz alledem, Monsieur, wenn Henri diesen Krieg gewonnen hätte, wären die katholischen Staaten daraus geschwächt und die protestantischen gestärkt hervorgegangen.«
    »Wenn Sie das sagen, Madame, vergessen Sie, daß Frankreich ein grundkatholisches Land war, daß der König sich bekehrt, daß er die Jesuiten zurückgerufen und ihnen die Jugend überantwortet hatte und seine Söhne und Töchter in der reinsten römischen Orthodoxie erziehen ließ.«
    »Ich hörte aber doch, daß der Papst aus seiner Ablehnung dieses Krieges kein Hehl machte?«
    »Madame, der glühendste Wunsch des Papstes war die totale Ausrottung des Protestantismus in Europa, notfalls mit Feuer und Schwert, und soviel war zumindest offenbar, daß Henri, wenn er gesiegt hätte, für dieses Ziel nicht zu gewinnen war.«
    ***
    Ehrlich gesagt, befand auch ich in meinem jugendlichen Leichtsinn, daß der König sich nicht eben beeilte, dem Kaiser die Beschlagnahme Kleves zu vergelten. Ich sagte es Bassompierre.
    »Sicher«, meinte er, »der König betreibt die Sache nur auf einer Hinterbacke, oder er scheint sie nur auf einer Hinterbacke zu betreiben. Schließlich, so sagt er, wird es mit dem König von Spanien ein langer, blutiger und zweifelhafter Krieg. Und was käme, nachdem viel Zeit, Geld und Menschen verbraucht und die beiderseitigen Grenzen verwüstet wären, mehr dabei heraus als ein hinkender Frieden und die anschließende Rückgabe dessen, was der eine

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