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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ja immer furchtbar geheimnisvoll und sagte, sie könnte über diesen Ring Sachen erzählen, die ihr der Herr Graf anvertraut hätte, als sie noch bei seinen Nichten war, aber ihr Mund bliebe zugezurrt wie ein Katzenarsch.«
    »Ach, was!« sagte ich und tat, als nähme ich die Sache ganz obenhin, während mir das Herz vor Hoffnung pochte, seit ich diesen Ring seltsam gewichtig an meiner Hand verspürte. »Das hat nichts weiter auf sich! Nur eine kleine Wette zwischen dem Comte und mir. Ich messe derlei keine Bedeutung bei, das weißt du doch, Mariette. Der Comte hat mir den Ring nur auf zwei Tage geliehen.«
    »Und um was geht die Wette?« fragte Mariette, indem sie mich neugierig aus ihren wieselflinken schwarzen Augen besah.
    »Eine kleine Dummheit ohne Belang!« sagte ich lachend.
    Da ich mich aber doch nicht enthalten konnte, davon zu reden, fuhr ich fort: »Der Graf behauptet, wenn ich zwei Tage seinen Zauberring am Finger trüge, könnte es nicht fehlen, daß ich eine Soubrette finde, die mir mein Bett besorgt.«
    »Möge es Gott geben und die Jungfrau Maria und der Heilige Geist!« rief Mariette begeistert und bekreuzigte sich (wo mit sie Christentum und Heidentum unwissentlich vermischte). »Heilfroh wär ich, wenn das was würde, Monsieur! Ihr macht immer ein so trauriges Gesicht, seit sie weg ist, Ihr wißt schon wer, so leidend und mutlos und, wenn Ihr erlaubt, ganz betrübt um Eure schöne Soubrette. Und keine Nacht hab ich seitdem geschlafen, wo ich nicht gedacht hab, daß das Eurem schönen roten Blut gar nicht bekommt, wie ein Mönch in der Zelle zu leben, aber«, fuhr sie energisch fort, »daß das mal endlich aufhört durch diesen Ring, das prophezei ich Euch!«
    »Ich bezweifle es«, sagte ich und spielte noch den Skeptiker, obwohl ihr Wort mich mit Freuden erfüllte. »Wie kannst du so darauf bauen, meine arme Mariette? Das ist doch alles nur Aberglauben und Gefasel.«
    »Oh, mitnichten, Monsieur!« rief sie aus. »Fest und steif glaub ich an Wunder, und ich hab schon so viele gehört, die wahr sind wie das Evangelium, unter anderen eins, was mir das Herz ja um und um gedreht hat und was zur Zeit von König Henri dem Zweiten in der Kirche Saint-Germain-des-Prés passiert ist. Da hat eines Tages der Pfarrer vor einer großenGemeinde die Totenmesse gelesen für das Seelenheil eines Mannes, und auf einmal hat doch der Christus über dem Altar seine beiden Arme vom Kreuz genommen und hat sich die Finger in die Ohren gesteckt. ›Herr Pfarrer, Herr Pfarrer!‹ schrie die Gemeinde, ›was hat dieses Wunder zu bedeuten?‹ – ›Es hat sicherlich zu bedeuten‹, sagte der Pfarrer, ›daß der Herrgott nicht will, daß wir für jenen Mann beten, weil er ohne Zweifel schon verdammt ist.‹ Da erhob sich aus der Menge des Volkes ein Mann ganz in Weiß und sprach: ›Wahrlich! Ich halte für gewiß, daß jener Mann ein schlimmer Hugenotte ist, der sich nur zum Schein bekehrt und Gott heimlich weiter auf seine teuflische Weise angebetet hat!‹«
    Der Schluß verdarb mir die Geschichte, die mich sonst ergötzt hätte.
    »Und dann legte der Christus«, sagte ich spottend, »seine Hände wieder ans Kreuz, denn so habe ich ihn letzte Woche in Saint-Germain-des-Prés gesehen.«
    »Sicher«, sagte Mariette, kein bißchen beirrt. »Christus tut viele Wunder! Und wißt Ihr, Monsieur, was derselbe Christus am Sonntag dem Sakristan ins Ohr geflüstert hat, wie er nach der Messe die Lichte schneuzte?«
    »Ich werde es von dir hören«, sagte ich dürr.
    »Er hat geflüstert, daß die Hugenotten, die ja nun wieder viel Fell im Reich gewonnen haben, seit der König zum Krieg gegen den Papst rüstet, auf Weihnachten eine große Bartholomäusnacht für die Katholiken machen wollen. Sie werden uns alle erschlagen! Das ist gewiß.«
    Ich traute meinen Ohren nicht, daß die Bigotten und Frömmler der spanischen Partei zu einer solchen Niedertracht griffen und ihre Sakristane den gutgläubigen kleinen Leuten so schändliche Fabeln ins Ohr blasen ließen, um sie gegen den König aufzubringen! Und was für eine Ungeheuerlichkeit! Da wurden die Söhne Tausender Opfer der Bartholomäusnacht zu vermeintlichen Schlächtern des Pariser Volkes erklärt, um es aufzuhetzen und womöglich ein Morden heraufzubeschwören, das leicht in einen neuen Bürgerkrieg ausarten könnte, nur um die Ziele des Königs zu durchkreuzen, der ja obendrein nicht etwa gegen den König von Spanien oder gegen den Kaiser Krieg führen wolle, sondern gegen den

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