Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
wir auch taten, und die Bonbons waren weiß Gott gut, sie knackten zwischen den Zähnen und zerschmolzen auf der Zunge.
    »Eine prächtige Büchse!« sagte La Surie, der bat, sie in die Hand nehmen zu dürfen, als sie leer war, und sie von allen Seiten bewunderte.
    »Das Geschenk einer Dame«, sagte Bassompierre mit einem Lächeln, das wie manche Pistolen doppelt geladen war: einmal, um sich zu brüsten, und zum anderen, um sich über dieses Sich-Brüsten lustig zu machen.
    »Das muß aber eine sehr dankbare Schöne gewesen sein«, meinte La Surie, indem er die Büchse zurückgab.
    »Dankbar sind sie mir alle«, sagte Bassompierre. »Ich bin so gewissenhaft ...«
    Hierauf lachten wir, da die etwas beschwichtigten Mägen unserer Laune aufhalfen.
    »Comte«, sagte mein Vater, »erklärt mir ein Rätsel: Das prinzliche Trio, das der König verlassen hat, ist derart finster. Daß der Prinz von Condé es ist, leuchtet ein, aber was hat der Prinz von Conti?«
    Bassompierre senkte die Stimme.
    »Er hat lichte Momente, in denen er merkt, daß er blöde ist.«
    »Und der wahre Grund?« fragte mein Vater lachend.
    »Ohne seinen Bruder ist er verloren. Der Comte de Soissons spricht nicht, wie Ihr wißt: er donnert. Dadurch ist er der einzige, den Conti hören kann.«
    »Und Vendôme? Weshalb zieht der Knabe so ein langes Gesicht? Die kleine Mercœur ist doch durchaus nicht reizlos.«
    Bassompierre neigte sich zum Ohr meines Vaters: »Wißt Ihr es nicht? Er ist für diese Reize unempfänglich.«
    »Gerechter Himmel! Er auch?«
    »Aus welchem Grunde unser Henri ihm, damit er in der Hochzeitsnacht nicht versagt, vorgestern eine kleine Expertin schickte, an der er seine Messer schärfen sollte.«
    »Und hat er sie geschärft?«
    »Einigermaßen, heißt es.«
    In dem Moment kam ein Page hochrot und außer Atem gelaufen, der sich dem König mit solchem Schwung zu Füßen warf, daß er ihn fast zu Fall gebracht hätte.
    »Sire«, rief er, »die Damen kommen!«
    »Berlinghen!« sagte der König.
    Monsieur de Berlinghen kam geeilt und legte Seiner Majestät den schweren Hermelinmantel um die Schultern. Dann nahm er dem zweiten Kammerdiener die Krone aus der Hand und half dem König, sie auf sein Haupt zu setzen. Henri schnitt eine Grimasse. Er mochte es doch nicht, daß man seine Haare berührte.
    »Alsdann, meine Herren!« sagte er, zu den Höflingen gewandt, »wenn es wahr ist, daß Erwartung das Begehren erhöht, muß das unsere jetzt sehr scharfe Zähne haben.«
    Unbeabsichtigt lag in diesem Wort eine gewisse Zweideutigkeit, und auf das eine und andere Gesicht trat ein Lächeln. Henri stapfte auf seinen kurzen, muskulösen Beinen zu den drei Prinzen von der traurigen Gestalt vor der Kapelle. Doch außer daß das Warten nun ein Ende fand, machte die Ankunft der Damen diese nicht heiß, nicht kalt. Condé haßte seine Frau. Conti hatte sich der seinen durch seine Leiden entfremdet. Und für den kleinen Herzog bedeutete seine Hochzeit nur eine qualvolle Prüfung.
    Jede Minute mußten die Damen nun in den Hof einziehen, um zur Kapelle zu gelangen, und Henri wandte sich strahlenden Gesichtes der Tür zu, durch die sie kommen würden. Stets hatte er das
gentil sesso
bis zur Narretei geliebt, und obwohl es ihm Leiden und Hörner wahrlich nicht ersparte, hatte er seinen Mätressen immer alles verziehen: die unverfrorensten Lügen, die giftigsten Heimtücken, die zynischsten Verrätereien, ja sogar Anschläge auf sein Leben.
    Es machte mich sprachlos, daß dieser große König, der von Natur so ungeduldig und in diesen Tagen so hart mit der Affäre Kleve und der Aussicht eines Krieges belastet war, die fünf verlorenen Stunden, welche die Damen auf sich hatten warten lassen, für nichts erachtete. Mich dünkte, während ich sein vor Erwartung bebendes Gesicht beobachtete, daß er sich eine große Freude allein schon davon versprach, sie wiederzusehen, als hätte er sich so lange verwaist gefühlt.
    Zählte man übrigens nur die Königin, die Prinzessinnen und Herzoginnen, waren es lediglich zehn Damen. Weil aber eine jede sich entehrt gefühlt hätte, wäre sie nicht mit dem Gefolge ihrer sämtlichen Jungfern aufgetreten, eine so jung und schön wie die andere, waren es insgesamt gut ihrer sechzig, die nun mit großem Schimmern und Rauschen durch die Tür in den Hof hinaustraten. An der Spitze kam Maria von Medici, prächtig geschmückt und in ihrem von oben bis unten mit Perlen übersäten Liliengewand. Und da bei ihr alles größer war als

Weitere Kostenlose Bücher