Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
bei anderen: der Leibesumfang, die Krone, die Kleinodien, der im Nacken aufgestellte Spitzenkragen, mangelte es ihr auf den Abstand nicht an Majestät. Da Prinzessinnen und Herzoginnen ebenfalls Kronen trugen, wenn auch weniger beeindruckende, dafür aber voller Edelsteine, blitzten und funkelten tausend Feuer unter der hellen Julisonne. Als die Königin uns nahe genug war, daßman ihr Gesicht erkannte, sah man allerdings auch wieder ihre mürrische, dünkelhafte Miene, die sie für Größe hielt. So wandten sich die Blicke rasch der Prinzessin von Conti und der Prinzessin von Condé zu, die nicht nur, weil sie beide sehr schön waren, sondern auch weil sie nebeneinander gingen, hinter der Königin ein Bild des Entzückens abgaben.
Ohne sich verabredet zu haben, schritten sie mit einer wohlbedachten Langsamkeit und blieben hinter der Königin nicht so sehr aus Respekt zurück, sondern um den Blicken alle Muße zu gönnen, sich an ihnen zu weiden. Zierlich und blond die eine, die andere schlank und dunkel, trugen auch sie als Prinzessinnen von Geblüt die Liliengewänder der Töchter Frankreichs und, die behandschuhten Hände gelassen auf den Ausbuchtungen ihrer Reifröcke, nahten sie mit einer erlesenen, wiegenden Grazie, die seit zartestem Alter im Ballett des Hofes erworben worden war. Strahlenden Auges und als wüßten sie nichts von den Wünschen, die sie erweckten, neigten sie seitlich, wie hingebungsvoll, den Kopf. Je näher sie dem König kamen, desto langsamer gingen sie, und als sie beinahe vor ihm waren, setzten sie, dies aber vielleicht abgesprochen, mit halbem Lächeln die zartest verwirrten Mienen auf, als wollten sie den Hochmut der Königin durch stumme Abbitte wettmachen. Der König widerstand nicht. Er applaudierte. Sogleich fiel der Hof mit einer Begeisterung ein, die man von so ausgehungerten Höflingen nicht erwartet hätte.
»Wer wird die Franzosen je verstehen?« sagte ein steifrückiger, ernster Edelmann mit starkem spanischen Akzent. »Die Damen lassen sie fünf Stunden warten, und sie applaudieren.«
»Señor Don Inigo«, sagte Bassompierre, indem er sich umwandte, »sie feiern nicht das Warten: sie feiern die Schönheit.«
***
Die Hochzeit war eine der prächtigsten dieser Herrschaft und dauerte drei Tage: es wurde gegessen und ohne Rückhalt getrunken, es wurde getanzt und geklatscht, und über das Ringstechen, das wiederum veranstaltet wurde, meinte Bellegarde, nur der König und Condé »seien darin wirklich gut«, ein Ausspruch, der einiges Schmunzeln hervorrief.
Obwohl er sie nicht aus seinem Beutel zu bestreiten hatte, erging sich mein Vater in Klagen über die Kosten all der Festlichkeiten, und noch ärgerlicher war er über den Zeitverzug, den sie mit sich brachten, denn schließlich klopfte der Krieg an unsere Pforten. Eine Ansicht, die er lieber nicht öffentlich äußerte, weil sie manchem zu sehr nach dem berühmten Faß stinken mochte. Da er es nicht länger aushielt, bat er den König am zweiten Tag um Urlaub mit der Entschuldigung, die Erntearbeiten auf seinem Gut Le Chêne Rogneux erforderten seine Anwesenheit. Keinen Grund hätte Henri leichter gebilligt, wiederholte er doch oft genug, daß der Platz des Edelmannes sein Grund und Boden sei und daß er nach Paris nur in möglichen Prozeßangelegenheiten zu kommen hätte, oder um dem König zu dienen: wäre man seinem Wort gefolgt, hätte der Louvre leergestanden.
»Geh, Graubart«, sagte der König, »ich würde auch lieber Forke und Sense schwingen, als hier den Galan der Damen zu spielen.«
Aber diesmal klang sein Traum vom Landleben wenig überzeugend. Wie La Surie sagte, betrachtete er die Prinzessin mit der Gier eines Hungerleiders, der ein schönes goldbraunes Brot im Fenster eines Bäckerladens anstarrt. Und sie erstrahlte denn auch in all den Feuern, in welchen er für ihre Schönheit brannte, aber ohne jemals ihre Strategie aufzugeben: sie bot sich dar im Namen der Liebe und entzog sich im Namen der Tugend. Zumal sie sich schon als Königin aufspielte, so daß es hieß, sie habe ihr hübsches Füßchen bereits auf die erste Stufe des Thrones gesetzt.
Meine liebe Patin nahm es sehr übel, daß mein Vater Fontainebleau verließ, obwohl sie doch gerade dort weilte, aber mit seiner üblichen Gewandtheit sagte ihr mein Vater, daß er niemals an Aufbruch dächte, hätte sie seine Roßhaarmatratze mit ihm teilen können. Was mich angeht, so machte es mir wenig aus, Samois und seine elende Herberge hinter mir zu
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