Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
sicherlich unbewußten Regung an sein Wams drückte, als sollte niemand sein Spiel sehen. Endlich kehrte ihm die Sprache und das Gefühl für seine Würde wieder, er gab Bassompierre seine Karten und sagte, er solle für ihn weiterspielen und über sein Geld wachen. Dann befahl er dem Chevalier du Gué, ihm zu folgen, und noch immer auf meine Schulter gestützt (so daß ich keine andere Wahl hatte, als neben ihm her zu gehen), verließ er den Raum und begab sich schleppenden Schrittes zum Gemach der Königin.
Diese Zuflucht machte mich staunen, denn außer daß die Königin vor vier Tagen erst entbunden hatte und blaß und leidend unter ihrem Baldachin lag, konnte der König sich doch nicht vorstellen, daß er, wenn es sich um die Prinzessin handelte, bei ihr auch nur die mindeste Unze Mitgefühl finden würde. Sooft ich seit jenem Tage über diesen merkwürdigen Schritt Henris nachdachte, fand ich dafür nur den einenGrund, daß er in dem Moment einer weiblichen Gegenwart bedurfte, sei sie auch stumm und sogar feindselig.
Inmitten großer Leuchter voller Duftlichte zur Linken und zur Rechten lag Maria von Medici nicht, sondern saß halb aufgerichtet in großen Seidenkissen, deren blaßblaue Farbe gewählt worden war, um ihre üppigen blonden Haare in Geltung zu setzen, das einzige, was an ihr bemerkenswert war. Nach der allgemeinen, aber allgemein sehr selten geäußerten Ansicht verweigerten die Unebenmäßigkeiten ihres Gesichts ihr jene Schönheit, welche die Maler und Poeten des Hofes bei ihrer Ankunft in Frankreich als beneidenswert gefeiert hatten. Der übliche Ausdruck ihrer Züge – mürrisch und dünkelhaft – tat nichts, diese Wirkung zu mildern. Zu ihren Gunsten hätte man höchstens sagen können, daß sie groß, gesund, kräftig, vollbusig und überaus fruchtbar war – die beiden letzten Eigenschaften hatten ihr die Achtung des Königs eingetragen, der allerdings von ihrer Urteilskraft die geringste Meinung hatte.
Doch muß man zugeben, daß die Königin nicht viel Geist benötigte, um zu verstehen, was in ihrer Gegenwart zwischen dem König und dem Chevalier du Gué und dann zwischen dem König und Delbène gesprochen wurde: die
Hurre
war im Morgengrauen von ihrem Mann entführt worden, und höchstwahrscheinlich war das Paar zur Zeit bereits nahe der niederländischen Grenze.
Der König schien von Sinnen. Wenn man sich jedoch an Marias Stelle versetzte, war dies eine Nachricht, die sie wunderbar für die Enttäuschung entschädigte, eine Tochter geboren zu haben. Hätte sie es gewagt und ihr Bauch es erlaubt, wäre sie in schallendes Gelächter ausgebrochen. Was war die
Hurre
denn anderes als eine elende kleine Zierpuppe, die durch ihre Grimassen die Liebe des Königs einzig mit dem Ziel erobert hatte, sich heiraten zu lassen? Und da Seine Heiligkeit der Papst, bei all den Kindern, die sie ihrem Gemahl geschenkt hatte, einer Scheidung niemals zustimmen würde, brauchte Maria nur aus der Geschichte ihrer väterlichen Familie zu schöpfen, um zu wissen, was auf längere Sicht aus ihr geworden wäre, hätte Condé nicht eine Grenze zwischen den König und die Prinzessin gelegt. Ein Wunder war geschehen, und sie würde seiner in ihren Gebeten nicht vergessen.
Während der König mit tonloser Stimme Delbène und den Chevalier du Gué ausfragte, nützte ich den Umstand, daß die Königin mich so wenig beachtete wie ein Möbel, um einige Blicke auf sie zu werfen. Sie gab keinen Laut von sich, sie hörte zu, ohne daß sich in ihrem Gesicht auch nur ein Muskel regte. Einmal vermeinte ich, daß sie zwischen den Zähnen murmelte:
»Che sollievo!«
1 , und ich schien mich nicht getäuscht zu haben, denn in genau diesem Augenblick wandte sich auch Delbène, der Florentiner war, kurz zu ihr um. Es war nur ein Blitz. Delbène hatte genug zu tun, die angstvollen Fragen des Königs zu beantworten, zumal der ihn zwang, die wenigen Informationen, die er besaß, unaufhörlich wiederzukäuen.
Die Szene steigerte sich zum Höhepunkt, als Bassompierre hinzukam und sagte, die Kartenpartie sei mit einhelligem Votum der Spieler abgebrochen worden, und er bringe dem König sein Geld. Da wandte sich dieser, ohne meine Schulter loszulassen, an Bassompierre, und sagte, indem er ihn aus verzweifelten Augen anblickte, mit klangloser Stimme: »Bas sompierre , mein Freund, ich bin verloren! Dieser Mensch ist mit seiner Frau in einen tiefen Wald gefahren! Und ich weiß nicht, will er sie umbringen oder aus Frankreich
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