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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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und nicht mehr kann. ›Sire‹, sagte er sogar, ›Ihr werdet von Eurem Volke nicht mehr geliebt, das ist die Wahrheit! Nie hat man über Henri III. so böse und lästerlich gesprochen wie derzeit über Eure Majestät. Und ich befürchte stark, daß dies am Ende umschlägt in Verzweiflung und Revolte.‹«
    »Und was hat der König entgegnet?«
    »Zuerst war er sehr zornig, aber als er ein wenig nachgedacht hatte, dankte er D’Ornano und umarmte und lobte ihn vor dem ganzen Hof für seine Offenheit.«
    »Und«, fragte ich, »beachtete er den Vorwurf?«
    »Wenig. Trotzdem hat er die schlimmsten Edikte widerrufen.«
    »Und das Münzedikt?«
    »Das zum Unglück nicht. Sully und er scheinen zu sehr darauf erpicht.«
    ***
    Ende November traten zwei Ereignisse ein, deren erstes vorauszusehen war und als glücklich hätte gelten können, unterläge der französische Hof seit zwei Jahrhunderten nicht dem SalischenGesetz 1 : die Königin kam im Louvre mit einer Tochter nieder, die Henriette-Marie getauft wurde, der man aber keinen freudigen Empfang bereitete, denn der König, die Königin, der Hof und das Volk hatten einen Sohn gewollt. Henriette-Marie schien allein auf Grund ihres Geschlechts die große Glocke des Louvre nicht wert, noch das Pulver eines einzigen Kanonenschusses und auch kein einziges Freudenfeuer auf öffentlichen Plätzen, nicht einmal das kümmerlichste kleine Hoffest, und die Hebamme wurde regelrecht dafür bestraft, daß sie es gewagt hatte, eine Pißliese auf die Welt geholt zu haben: sie bekam nicht die achttausend Ecus, die sie für die Brüder der Ärmsten erhalten hatte. Als Henriette zur Frau herangewachsen war, hätte ihr endlich das Glück lachen können, weil sie den Prinz of Wales heiratete und bald darauf Königin wurde. Aber 1649 verlor sie König und Thron, als ihr Gemahl König Charles I. auf dem Schafott endete.
    Wenige Tage nach dieser Geburt rief mich der König am frühen Nachmittag in den Louvre, und nachdem er sich mit mir in einem kleinen Kabinett eingeschlossen hatte, diktierte er mir einen Brief an Jacob I. von England, den ich ins Englische übersetzen sollte. In diesem Sendschreiben – das ist heute kein Geheimnis mehr – bat Henri den König Jacob, ihn mit Männern und Geldmitteln in dem großen Krieg zu unterstützen, den er gegen die Habsburger, die österreichischen sowohl wie die spanischen, vorbereitete. Es war in den liebenswürdigsten Begriffen abgefaßt, doch bevor der König es mir diktierte, erleichterte er seine Galle mündlich über den englischen Herrscher, von dem man ihm sehr boshafte, ihn betreffende Äußerungen berichtet hatte.
    »Weißt du, kleiner Cousin, was der Dickwanst über mich gesagt hat? ›Es ist keine Liebe, sondern eine Niedertracht, eines anderen Weib zu verführen.‹ Allewetter, so ein Mickerling, der nicht einmal soviel Kraft in den Lenden hat, sein eigenes Weib zu verführen, ist wohlberaten, mir Moral zu predigen! Seine Mutter hat ihren Mann ermorden lassen und den Mörder geheiratet! Wenn ich eine Morallektion brauche, beichte ich Pater Cotton und brauche die Homelien dieses Godon nicht! Was lachst du, kleiner Cousin?«
    »Weil Ihr ›Godon‹ sagt, Sire, so wie Jeanne d’Arc die Engländer nannte. Und weil Jacob I. gar kein Engländer ist, sondern Schotte.«
    »Das weiß ich, aber seit er seinen Fettarsch auf den englischen Thron gesetzt hat, hat er sich die uralte englische Manie zu eigen gemacht, nur an sich zu denken! Wie froh war er, als ich den tapferen Niederländern meine Truppen gegen die Spanier zu Hilfe schickte! Hätte sich der Spanier in Holland eingenistet, wäre das der Tod seines Reiches gewesen, das wußte er nur zu gut! Aber jetzt, da er fein heraus ist auf seiner Insel, rührt er nicht den kleinen Finger, um mir gegen die Habsburger beizustehen. Ganz im Gegenteil, am liebsten würde er sich mit ihnen befreunden, der Esel! Na, er wird schon sehen!«
    »Trotzdem schreibt Ihr ihm, Sire.«
    »Und in sehr freundlichen Worten, damit er mir Soldaten und Mittel leiht.«
    »Aber wird er nicht ablehnen, Sire?«
    »Sicher. Nur wird er über seine Ablehnung zu beschämt sein, um danach die Million Livres einzufordern, die ich ihm schulde.«
    Und ich dachte bei mir, daß Frankreich hinsichtlich der »ur alten Manie, nur an sich zu denken«, dem englischen Königreich doch wohl in nichts nachstand. Mein Vater lachte, als ich ihm diese Überlegung später mitteilte. »Jacob I.«, sagte er, »ist in dieser Affäre durchaus nicht

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