Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
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»Bestimmt will er sie nicht umbringen, Sire«, sagte Bassompierre, der diese Vermutung nicht nur unsinnig fand, sondern überhaupt schwer verstehen konnte, daß ein Mann wegen einer Frau den Verstand verlor.
Denn daß der König ihn ein wenig verloren hatte, davon war er überzeugt, als dieser – um sieben Uhr abends! – seinen Rat einberief, um zu erwägen, welche Maßnahmen zu ergreifen waren. Und als er ihn, was nun völlig ungewöhnlich war, überdies bat, dabei zugegen zu sein.
Mich forderte er dazu zwar nicht auf, doch mußte ich gleichwohl bleiben, so großen Wert schien er auf meine Gegenwart zu legen, sei es, daß meine Jugend ihn stärkte, sei es, daß er mich weiterhin als seinen Glücksbringer betrachtete. Immerhin war er sich der Partie, die jetzt anstand, ganz und gar nicht sicher, seiner Karten so wenig wie der Art, wie sie auszuspielen waren.
Die Prinzen, die Herzöge und Pairs und einige Staatsräte versammelten sich also in dem Ratssaal, wo der Rat aber, wenigstens im Sommer, selten statthatte, weil der König seine Affären lieber behandelte, indem er in seinem nervösen, unermüdlichen Schritt durch seine Gärten wandelte.
Seine Majestät hatte die Beherrschung einigermaßen zurückgewonnen, er stellte die Tatsachen mit seiner üblichen Knappheit dar und bat einen jeden, seine Ansicht zu äußern. Was einer nach dem anderen tat, dabei aber weniger seine wirkliche Meinung abgab, sondern sich danach zu richten versuchte, was der König vermutlich hören wollte. Gleichwohl traten Nuancierungen zutage, fand ich, und vor allen anderen ragte nach meinem Eindruck der Staatsrat Jeannin durch Klarheit und zweifellos auch durch Aufrichtigkeit hervor, denn niemand hätte den Präsidenten Jeannin verdächtigen können, ein Höfling zu sein: er hatte sich vor dem Parlament gegen die ruinösen Edikte und besonders gegen das Münzedikt ausgesprochen.
Nach Jeannins Ansicht sollte der Prinz verfolgt werden, wenn es sein müßte auch über die Landesgrenzen hinaus, und zur Rückkehr ins Königreich bewogen werden. Wenn er sich weigerte, sollte die Regierung der Niederlande aufgefordert werden, den Flüchtigen kein Asyl zu gewähren.
***
»Schöne Leserin, darf ich Ihnen hier erklären ...«
»Monsieur, ein für allemal: bitte, keine beleidigenden Wiederholungen mehr! Ich wette, die kleine Prinzessin von Condé wird dem fröhlichen französischen Hof bittere Tränen nachgeweint haben. Aber wie kommt es, Monsieur, daß in dem überraschend einberufenen Rat des Königs Sully sich noch nicht geäußert hat?«
»Weil er noch nicht da ist, Madame. Er kommt, aber er kommt langsam. Obwohl der Weg zwischen dem Louvre und dem Arsenal (wo er über seinen Kanonen brütet) oder der Bastille (wo er über seinen Millionen brütet) nicht lang ist, zumal zu dieser Abendstunde, da Paris wie ausgestorben liegt, weil die Menschen sich bei Einfall der Dunkelheit aus Angst vor Räubern einmauern. Aber Sie kennen doch Sully: er ist sofurchtbar stolz und so unglaublich eingebildet, daß er alle auf sich warten lassen will, einschließlich den König, der ihn, als er endlich kommt, aber ziemlich kühl empfängt, um seiner Arroganz einen Dämpfer aufzusetzen. Vergebliche Mühe! Natürlich hatte Sully alles gewußt! Er hatte alles vorausgesehen! Und er ließ es keinen jemals vergessen! ›Ich hatte es Euch ja gesagt, Sire, daß Condé sich von spanischen Emissären bereden und das Reich verlassen würde und daß man ihn hätte einsperren müssen!‹ – ›Rosny!‹ schrie der König, ›du sollst mir nicht die ganze Nacht mit deinem ›Ich hatte es Euch ja gesagt!‹ in den Ohren liegen. Der Wein ist gezogen! Jetzt muß er getrunken werden. Sag, was du heute vorschlägst.‹ Sully bat den König um eine kleine Bedenkzeit. Der König willigte ein, und er zog sich in eine Fensternische zurück, wo er dem Rat halb den Rücken zukehrte und seine breite Hand vor seine Augen legte.«
»Was für ein Theater! Und da heißt es, daß nur die Frauen Theater machten!«
»Nur, Madame, wenn Sully sprach, dann sprach er besonnen. Aber man mußte es ihm aus der Nase ziehen. Nach einer Weile rief ihn der König ungeduldig an: ›Nun, Rosny, habt Ihr nachgedacht?‹ – ›Ja, Sire.‹ – ›Und was ist zu tun?‹ – ›Nichts, Sire.‹ – ›Wie, nichts!‹ – ›Ja, Sire, nichts. Wenn Ihr gar nichts tut und zeigt, daß Condé Euch überhaupt nicht kümmert, wird man Condé mißachten. Niemand wird ihm helfen. Nicht einmal
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