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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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war er noch außerhalb meines Blickfeldes. Und während er sich Zeit ließ, dem König seine Komplimente und die Komplimente Seiner Heiligkeit vorzutragen, blieb seine Stimme im Baßregister und hörte sich äußerst gefällig an, zumal sein italienischer Akzent den Wohlklang erhöhte. Ich kann diese Stimme nicht besser beschreiben, als daß sie den Eindruck von Billardkugeln erweckte, die in einer geölten Bratpfanne rollen. Wenn sie aneinanderstießen, spürte man zwar, daß sie hart waren, aber wegen des Öles, in dem sie hin und her glitten, hatte diese Härte immer noch etwas Sanftes.
    Als der Kardinal sich endlich setzte und ich seine zeremoniellen Höflichkeiten noch immer nicht mitschrieb, warf ich mehr als einen Blick in den Spiegel. Er dünkte mich kleiner, als ich ihn von der Hochzeit des Herzogs von Vendôme in Erinnerung hatte, wo er in einem glänzenden Schwarm purpurner und violetter Roben erschienen war. Aber was mir besonders auffiel: alles an ihm war rund oder zumindest gerundet, Schädel, Gesicht, Augen, Nase, Kinn, Schultern und Bauch. Wie ein Kiesel aus rosa Granit, der sich lange an anderenKieseln im Vatikan abgeschliffen hatte. Rosa sage ich wegen seines strahlend frischen Teints und auch wegen seiner heiteren Züge, obwohl er angesichts der Schwierigkeiten, auf die er nun in seiner Pflichterfüllung stieß, sich meistens, wie ich bald feststellen sollte, »betrübt, bekümmert oder untröstlich« nannte. Aber es waren amtliche Untröstlichkeiten: seiner Behaglichkeit zu leben nahmen sie offenbar nichts.
    Henri hingegen kürzte seine Höflichkeiten ab, stellte sich vor den Nuntius und kam direkt zur Sache.
    »Herr Nuntius«, sagte er, »ich bin sehr unzufrieden mit dem Verbot, das Seine Heiligkeit gegen die
Histoire universelle
des Präsidenten De Thou erlassen hat.«
    »Aber, Sire, wie sollte die Inquisition vergessen können, daß De Thou nicht nur der Verfasser dieses geistvollen und vorzüglich gelehrten Werkes ist, sondern auch des Ediktes von Nantes, das wir unserseits verabscheuen, weil es in diesem Reiche etwas Verhängnisvolles gewährt: die Gewissensfreiheit.«
    »Ohne das Edikt von Nantes«, sagte der König, »würden meine katholischen und meine hugenottischen Untertanen sich noch immer die Kehlen durchschneiden ... Doch wie könnte ich erwarten, daß der Heilige Vater von seinen Grundsätzen abweicht? Um so mehr überrascht mich das Verbot der Anklagerede Antoine Arnaulds in dem Prozeß gegen die Jesuiten, der nach dem Mordanschlag Jean Châtels auf meine Person statthatte.«
    »Ach, Sire!« sagte der Nuntius, den der Name Jean Châtel unangenehm zu berühren schien, »der Heilige Vater wünscht das Vergangene zu begraben. Ihr selbst habt doch den Jesuiten ihre Unklugheiten vergeben, indem Ihr sie aus der Verbannung nach Frankreich zurückgerufen habt. Man kann sogar sagen, daß Ihr heute ihr Wohltäter seid, denn ohne Eure Hilfe hätten sie die Belehrung der Jugend nicht aufs neue in die Hände nehmen noch das prächtige Collège de La Flèche errichten können. Sie sind Euch dafür, wie Ihr überzeugt sein dürft, Sire, in unendlicher Dankbarkeit verbunden.«
    »Davon merke ich in ihren Predigten nichts«, sagte Henri bitter. »Aber lassen wir auch das. Es gibt Schlimmeres! Das Verbot Seiner Heiligkeit betrifft nicht allein Arnaulds Anklagerede. Es betrifft ebenfalls ihre anhängigen Teile, darunter das Todesurteil, welches das Pariser hohe Gericht über Jean Châtelverhängte, weil es ihn des Mordversuches an meiner Person für schuldig befand.«
    Da sein Gesprächspartner in Schweigen verharrte, fuhr der König in beißendem Tone fort: »Monseigneur, darf ich Euch in Erinnerung rufen, daß Jean Châtel sich unter die Menge der Höflinge im Louvre gemischt hatte, als ich aus der Picardie zurückkehrte, und daß er, weil er glaubte, ich trüge ein Kettenhemd, mit seinem Messer auf meinen Hals zielte. Die Vorsehung wollte es, daß ich mich just, als er zustach, zu Monsieur de Montigny herabbeugte, der vor mir niedergekniet war, und daß die Klinge nur meine Oberlippe spaltete und mir einen halben Zahn ausbrach. Ihr mögt Euch demnach vorstellen, wie besagte Klinge in meinem Hals gewütet hätte. Das Pariser Parlament verurteilte Châtel zum Tode. Was hätten wir nach dem Wunsche des Heiligen Stuhles tun sollen? Châtel für unschuldig erklären? Ihn freilassen, damit er es ein zweitesmal mit besserem Erfolg versuche? Erklärt mir, was diese Nichtigerklärung des Todesurteils

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